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Sport: Purer Genuss

4:1, 4:4, 5:4: Werder Bremen bezwingt Hoffenheim in einem turbulenten Spiel

Die Frage musste Ralf Rangnick ja gestellt werden. Ob denn der Vordenker und Chefstratege des Millionenprojekts 1899 Hoffenheim sich ein bisschen mitfreuen könne an diesem so unterhaltsamen Fußballspiel? Da zog der 50-Jährige demonstrativ die Mundwinkel nach unten. „Wir sind ja nicht unterwegs wie die Harlem Globetrotters, um die Zuschauern zu unterhalten, sondern um Punkte mitzunehmen“, sagte er. Eindruck gemacht hat Rangnicks Ensemble trotzdem – denn was der Aufsteiger bei der 4:5 (2:4)-Niederlage bei Werder Bremen ablieferte, war aller Ehren wert. Mehr noch: Eigentlich hätte die furiose Darbietung mit einem Punkt belohnt werden müssen. „Ich muss Ralf ein Kompliment machen“, gestand der Bremer Kollege Thomas Schaaf, „das war ein begeisterndes Spiel: So haben sich hier wenige Mannschaften präsentiert.“

Was die Bremer und der freche Aufsteiger den 40 059 Zuschauern im Weserstadion boten, war allerfeinste Unterhaltung, ja lange Zeit purer Genuss. Werder hatte zwischenzeitlich schon mit 4:1 geführt, Hoffenheim zum 4:4 ausgeglichen, als schließlich Mesut Özil dem Emporkömmling den Knockout verpasste. Nach Pass von Jurica Vranjes schmetterte Özil kurz vor dem Ende den Ball humorlos zum Siegtreffer in die Maschen – zuvor hatte Per Mertesacker wegen einer Notbremse die Rote Karte gesehen (62.) – die Schiedsrichter Perl ihm in einer anderen Szene viel früher hätte zeigen müssen. „Ich bin brutal enttäuscht“, stammelte Rangnick, „so ein Spiel darf in Überzahl niemals mehr verloren gehen“. Der Taktiktüftler mäkelte, man habe sich von einem langen Ball „hinterläufig machen lassen, das war naiv“. Eine Sichtweise, die auch Hoffenheims Manager Jan Schindelmeister kund tat. „Die Jungs haben die Früchte der Arbeit liegen lassen.“

Wohl wahr: Von Beginn an spielte Hoffenheim so bedingungslos auf Angriff, dass sich an der Weser eines der sehenswertesten Bundesligaspiele der vergangenen Jahre entwickelte – Tempo, Tricks und Tore fast im Minutentakt. Werders Manager Klaus Allofs befand voller Stolz: „Das war ein Spektakel. Dafür liebt man uns.“ Seine Spieler hätten sich mitreißen lassen, „es war ja auch so schönes Wetter“, bemerkte Allofs mit ironischem Unterton. Die anderthalb Stunden waren nur im Stenogramm-Stil zu fassen: 1:0 durch Özils ersten Streich – von links mit links in den linken Winkel (8.). 1:1 durch Demba Ba nach Traumpass von Vedad Ibisevic (15.). 2:1 durch Claudio Pizarro, genialer Hackentrick (16.). 3:1 Diego, Vollspann wie aus dem Lehrbuch (21.). 4:1 Aaron Hunt, mit rechts aus 22 Metern in den Winkel, Rubrik Traumtor (30.). 4:2 Freistoß Sejad Salihovic, formidabel wie unhaltbar (36.). 4:3 Ibsisevic Foulelfmeter (61.). 4:4 Marvin Compper, Kopfball nach tückischer Salihovic-Ecke (71.).

Spätestens in der Schlussviertelstunde sprach vieles für die selbstbewussten und technisch beschlagenen Gäste, die bei allem Sturm und Drang jedoch einmal die Orientierung verloren. „Wir müssen die richtige Balance zwischen dem bekommen, was wir hinten brauchen, und was wir vorne können“, kritisierte Rangnick. Das Fazit von Werders Wortführer Torsten Frings hörte sich naturgemäß ganz anders an: „Als Spieler dreht man bei so einem Spektakel fast durch. Aber für uns zählt einfach nur der Sieg.“

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