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Sport: Quertreibers Rache

Zehnkämpfer Behrenbruch sieht sein EM-Gold auch als Antwort auf massive Kritik des Verbands.

Berlin - Nachts um 1 Uhr verdrückte Pascal Behrenbruch in der Innenstadt von Helsinki drei Pizzen; zwei Cocktails schüttete er dann noch hinterher. Alles keine sportgerechte Ernährung, aber darauf musste er jetzt auch nicht mehr achten. Er hatte seine Höchstleistung gebracht, er war gerade Europameister im Zehnkampf geworden. 8558 Punkte hatte er bei der Leichtathletik-EM gesammelt, 119 Punkte mehr als bei seinem bis dahin besten Zehnkampf. Damit ist er die Nummer zwei in der Weltjahres-Bestenliste, damit ist er auch der erste deutsche Zehnkämpfer seit 1971, der einen EM-Titel holte. Damals hatte Hans-Joachim Kirst Gold für die DDR gewonnen.

Behrenbruch freilich ist an der erheblich jüngeren Vergangenheit interessiert, dieser Sieg ist auch eine Art Rache an jenen Funktionären und Trainern, die ihn in den vergangenen Jahren als Problemfall eingestuft hatten. „Natürlich ist Genugtuung dabei“, gibt der 27-Jährige zu, „wenn mich einer sauer macht, will ich es ihm zeigen. Auf jeden Fall war die Entscheidung, nach Estland zu gehen, gut.“

Er ging nach Tallinn, aber er ging nicht ganz freiwillig. Die Umstände trieben ihn in den Osten. In Estland lebt Erki Nool, Zehnkampf-Olympiasieger von 2000, er wurde Behrenbruchs neuer Trainer. Nool empfing einen hochfrustrierten, aber deshalb auch ehrgeizigen Athleten.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hatte Behrenbruch im November 2011 aus dem Top Team geworfen und ihm jede Förderung gestrichen. Aus Behrenbruchs Sicht rächten sich Funktionäre an einem Athleten, der selbstständig agiert und selbstbewusst auftritt, aus Sicht der Trainer und Funktionäre hatte ein unberechenbarer Kraftprotz mit seinen Eskapaden einfach überzogen.

Die skurrilen Auftritte von Behrenbruch, mit denen er seine zahlreichen Trainer fast zum Wahnsinn trieb, sind legendär. Bei einem Zehnkampf in Götzis zum Beispiel sprang er beim Weitsprung bei allen Versuchen mit dem falschen Fuß ab. Er wollte probieren, ob er damit weiter kommt. Er kam gerade mal auf magere 6,70 Meter. Reihenweise verschliss Behrenbruch Trainer; sie alle hielten es mit ihm einfach nicht mehr aus.

Zum großen Krach mit dem DLV kam es 2010, als der Verband Behrenbruch gegen dessen Willen nicht für die EM nominierte. Der Zehnkämpfer laborierte an den Folgen einer Verletzung, der Verbandsarzt riet dringend von einem Start ab, zu Behrenbruchs eigenem Schutz quasi. Danach wurde das Verhältnis von Athlet zu Verband immer frostiger.

Jetzt sagt DLV-Cheftrainer Herbert Czingon: „Ich denke, die Anforderung an ihn selbst sind durch die neue Situation sehr groß, und dies hat Kräfte freigesetzt.“ Sie setzt auch Verbandsmittel frei; bisher bezahlt Behrenbruch alles selber. In Zukunft will der DLV ihn wieder unterstützen. Und Behrenbruch kündigt schon mal, dass sich die Unterstützung lohnen wird: „In London kämpfe ich um Silber oder Bronze.“

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