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Enttäuschend. Tony Martin in Richmond.

© dpa/Paul

Radfahr-WM Im Zeitfahren: Tony Martin fährt hinterher

Vor dem Start war er der große Favorit, hinterher enttäuscht. Tony Martin wurde beim WM-Zeitfahren in Richmond völlig überraschend nur Rang Siebter.

In der Heimatstadt von Edgar Allan Poe hat Tony Martin versäumt, ein Kapitel Radsportgeschichte zu schreiben. Der maßlos enttäuschende siebte Platz beim Einzelzeitfahren der Weltmeisterschaft am Mittwoch (Ortszeit) in Richmond kam für den gebürtigen Cottbuser einem Schreckens-Szenario gleich - nicht unähnlich den Gruselgeschichten des berühmten amerikanischen Autors. Zum ersten Mal seit 2009 verpasste Martin sogar das Podium.

Die Ewigkeit von 1:17 Minuten fehlte dem Favoriten nach 53,5 Kilometern zum Überraschungssieger Wasil Kirijenka aus Weißrussland. Der gebürtige Lausitzer mit Schweizer Wohnsitz hätte mit vier WM-Titeln auf einer Stufe mit dem Schweizer Rekordhalter Fabian Cancellara stehen können. Stattdessen suchte der Deutsche in seinem hautengen weißen Trikot mitten in Downtown Richmond nach Gründen für den unerwarteten Leistungsabfall - fand spontan aber keine Erklärung. „Ich habe mich gut gefühlt, wollte Gold gewinnen und war mir auch sicher, Gold zu gewinnen - aber es ist komplett anders gekommen. Warum, weiß ich nicht“, sagte Martin. Von 2011 bis 2013 war er unantastbar im Kampf gegen die Uhr, schaffte den WM-Hattrick. Im Vorjahr musste Martin dann, wie schon 2012 bei den Sommerspielen in London, Bradley Wiggins den Titel überlassen und sich mit Platz zwei begnügen. Doch der Brite verzichtete ebenso auf einen WM-Start in Virginia wie Cancellara. Deshalb konnte der neue Champion doch nur Tony Martin heißen - eigentlich.  „Die Favoriten waren sicherlich andere, vor allem Tony. Aber, ich denke, heute war einfach mein Tag“, sagte Kirijenka nach seinem Coup. Ihn hatte niemand der Experten auf dem obersten Podest erwartet, den italienischen WM-Zweiten, Adriano Malori, und Bronzemedaillen- Gewinner Jerome Coppel aus Frankreich ebenso wenig. Stattdessen galten der Vorjahres-Dritte Tom Dumoulin (Niederlande) und der Australier Rohan Dennis als Martins ärgste Kontrahenten. Doch Dumoulin wurde Fünfter, Dennis Sechster.

Während beide nach dem Rennen sofort in der Mixed-Zone Interviews gaben, ließ Tony Martin lange auf sich warten. Als er den Medien dann gegenübertrat, wirkte er niedergeschlagen. Martin schüttelte immer wieder seinen Kopf mit den durchgeschwitzten Haaren, sprach langsam und leise. Er musste gar nicht sagen, dass er enttäuscht war - Intonation, Mimik und Gestik waren deutlich genug. Seinen auf der sechsten Etappe der Tour de France erlittenen Schlüsselbeinbruch wollte er nicht als Ausrede geltenlassen. Zu gut und vor allem schmerzfrei sei die Vorbereitung verlaufen. Und die ersten acht der zu absolvierenden 53,5 Kilometer liefen schließlich nach Plan. „Ich habe mich ziemlich gut gefühlt, konnte mit so viel Power fahren, wie ich es erwartet hatte“, sagte Martin.

Auf dem ersten Rückenwind-Abschnitt sei das Rennen dann jedoch für ihn „einfach viel zu schnell“ geworden. Martin verlor seinen Rhythmus, somit seine gewohnte Trittfrequenz und hatte bei Halbzeit bereits einen Rückstand fast 40 Sekunden. Vorne fuhren sie konstant schnell, beim Favoriten hingegen begann mit jeder weiteren verlorenen Sekunde der Kampf gegen sich selbst. „In der zweiten Hälfte hatte ich eher mentale als physische Probleme“, resümierte Martin.

Siebter war er auch schon bei seinem WM-Debüt 2008 in Varese/Italien. Anschließend gab es zweimal Bronze, dreimal Gold und einmal Silber. Auf diese Dominanz folgten nun das Debakel und die Erkenntnis: „Dies war ganz und gar nicht mein Tag.“ (dpa)

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