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Nairo Quintana an der Spitze des Pelotons.

© dpa

Radrennen Vuelta: Gipfel im Spätsommer

Durch viele steile Anstiege will die Vuelta wieder attraktiver für Zuschauer und Fahrer werden.

Alberto Contador ist schwer erschöpft, und das schon in der ersten Woche. „Wasser, Wasser“, japste er nach der Zielankunft der 4. Etappe und schüttete das kühle Nass förmlich in sich hinein. Am Vortag hatte er richtig unter Dehydrierung gelitten und auf dem teils 30 Prozent Steigung aufweisenden Weg hoch zum Mirador de Ézaro 28 Sekunden auf Chris Froome verloren. 30 Prozent Steigung bereits am dritten Tag – die Spanienrundfahrt versucht in Sachen Extremherausforderung sogar dem Giro d’Italia den Rang abzulaufen. Vor dem ersten Ruhetag am Dienstag hatten die Fahrer bereits vier Bergankünfte hinter sich, sechs weitere folgen. So viele Gipfel verteilt über die gesamten drei Wochen sind ungewöhnlich für die Grand Tours der letzten Jahre.

Die sportliche Auseinandersetzung wird dadurch aber sehr belebt. Als sich am achten Tag der Alto de la Camperona mit einer Maximalsteigung von 25 Prozent vor dem Peloton aufbaute, meldete sich Nairo Quintana zurück, der bei der Tour de France noch schwer enttäuscht hatte. Der Kolumbianer nahm Froome 33 Sekunden ab. Er bediente sich dabei einer neuen Taktik. „Ich habe Froome aufmerksam studiert. Er lässt sich zu Beginn eines Anstiegs immer leicht zurückfallen und stößt dann mit voller Wucht nach vorn. Dieses Mal habe ich mich nicht überraschen lassen und konnte sogar kontern“, meinte er befriedigt.

"Es war eine lange Saison"

Am Montag, auf dem Weg zu den Höhen der Lagos de Covadonga, ließ der Kolumbianer einen weiteren Knüller folgen. Gemeinsam mit Contador löste er sich von Froome und holte zwischenzeitlich fast eine Minute heraus. Der Brite aber schlug zurück, noch kurz von seinen Helfern unterstützt, dann ganz auf sich allein gestellt, rollte er das Feld von hinten auf und kam bis auf 25 Sekunden an Quintana heran. „Hey, es war eine lange Saison“, meinte Froome im Ziel. „Ich muss mit dem zufrieden sein, was ich noch in den Beinen habe. Ich musste den Anstieg in meinem eigenen Tempo fahren.“

Er wirkte dabei stärker beglückt über seine Aufholjagd als frustriert über den neuerlichen Rückstand. Knapp eine Minute liegt er jetzt hinter Quintana, genau eine Sekunde hinter dessen Teamgefährten Alejandro Valverde auf Rang drei. Froomes Vorstellung ist weit von der Dominanz bei der Tour entfernt. Das ist wenig überraschend: Sein Formhoch plante der Sky-Kapitän für die letzten beiden Tourwochen und die Olympischen Spiele. Dass er in Spanien trotz des späten Saisonzeitpunkts den Kampf annimmt, hat einen ganz langfristigen Planungshintergrund. Wer die Vuelta in den Beinen hat, geht auf höherem Niveau in die Winterpause – und hat so im Frühjahr eine bessere Ausgangsposition.

Der Brite hat eine echte Schwäche für die Rundfahrt

Darüber hinaus hat der in Kenia geborene Brite eine echte Schwäche für die Rundfahrt. 2011 ging hier sein Stern auf, als er Gesamtzweiter wurde, noch vor seinem damaligen Kapitän Bradley Wiggins. Erstmals konnte er damals auskosten, was es bedeutet, ein Rundfahrt-Star zu sein: Nach einer Bergankunft wurde er mit einem Hubschrauber der Organisatoren ausgeflogen. Das gefiel dem Sohn eines Safari-Organisators sichtlich. Sportlich liegt ihm das bergige Rennen im Spätsommersonnenschein ohnehin. Er wurde nach seinem zweiten Platz bei der Tour 2012 Vuelta-Vierter und erreichte zwei Jahre später erneut Platz zwei. Im letzten Jahr scheiterten seine Double-Ambitionen wegen eines Sturzes. Ein „unerledigtes Geschäft“ nannte Froome daher die Vuelta.

Der Vuelta-Organisator ASO muss wiederum darauf hoffen, dass dieses Geschäft noch länger unerledigt bleibt. Dann ist Froome zu weiterer Teilnahme motiviert und wertet damit das Rennen auf. Kürzere und knackigere Etappen machen es darüber hinaus attraktiver. Weil auch Spaniens Wirtschaft sich erholt – das Wachstum im letzten Quartal betrug 0,8 Prozent – nimmt die Anzahl der Bewerberstädte für die Etappen zu. Das macht die Streckenplanung leichter und verringert die Transferkilometer zwischen den Etappen, was wiederum die Teams beglückt.

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