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© dpa

Radsport: Armstrong fährt in den Graben statt aufs Podest

Der erste schwere Sturz seiner Karriere gefährdet Lance Armstrongs Pläne vom großen Comeback.

So frustriert hat man Lance Armstrong selten erlebt wie am späten Montagnachmittag, als er mit dem Arm in der Schlinge aus der Universitätsklinik der zentralspanischen Stadt Valladolid trat. „Ich fühle mich miserabel“, sagte der Amerikaner mit hängenden Mundwinkeln. Kurz zuvor hatte man dem Tour-Champion auf Comeback-Tournee einen Schlüsselbeinbruch nach einem Sturz bei der ersten Etappe der Rundfahrt durch Kastilien und Leon bescheinigt. „So etwas ist mir noch nie passiert“, sagte Armstrong. „Das tut höllisch weh. Die Operation erfolgt in einigen Tagen“.

Tatsächlich war Armstrong in seinen 17 Jahren als Radprofi bis zum Montag noch nie schwer gestürzt. Beinahe schon unheimlich war es, wie viel Glück er bei seinen sieben (von Dopingverdächtigungen begleiteten) Tour-Siegen hatte – rund 25 000 Rennkilometer und 145 Renntage blieb er ohne Schramme. Selbst wenn er in brenzlige Situationen geriet, wie bei der Tour 2003, als er quer durch eine Wiese einem Sturz ausweichen musste und sich später auch noch in der Tasche eines Zuschauers verhedderte, kam er unverletzt davon.

Doch jetzt hat ihn offenbar das Glück verlassen. Der Astana-Profi geriet am Montag in einen Massensturz, während das Fahrerfeld sich auf engen, holprigen Landstraßen zum Sprint in der Stadt Baltanas formierten. Minutenlang saß er danach im Straßengraben, bis die Rennambulanz ihn aufsammelte. Möglicherweise war das Malheur auch die Folge davon, dass Armstrong nicht mehr den Status im Feld genießt, den er einst innehatte. Die vielen Helfer, die ihn früher vor aller Unbill bewahrte, sind nicht mehr da, schon gar nicht bei der Kastilien-Rundfahrt, wo Armstrongs Teamgefährte Alberto Contador Mannschaftskapitän ist. Auch der Rest des Feldes geht mit dem einstigen Patron des Pelotons nicht mehr so unterwürfig um wie einst.

Nach Armstrongs Vorstellung bei seinem ersten Rennen in Europa wäre das freilich verwunderlich gewesen. Armstrongs Auftritt beim Frühjahrsklassiker Mailand–San Remo war alles andere als überzeugend. Nach Platz 125 musste er eingestehen: „Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war. Alles geht einmal vorbei.“ Seine Hoffnungen, bis zum Sommer doch noch so in Schwung zu kommen, dass er erneut um den Tour-Sieg mitstreiten kann, schwinden nach dem Sturz. Statt sich in den Dolomiten Rennhärte zu holen, wird er wohl in Texas auf seiner Ranch auf dem Heimtrainer sitzen.

Armstrong selbst ist skeptisch, dass er beim Giro, bei dem er sich wieder unter den besten Rundfahrern der Welt positionieren wollte, überhaupt starten kann. Die Vorbereitung auf die Tour, bei der es für Armstrong selbst mit bester Präparation schwer gewesen wäre, an alte Zeiten anzuknüpfen, ist völlig durcheinandergeraten. Gefährdet sind somit auch Armstrongs Hoffnungen, mit seinem Comeback seine Tour-Siege rückwirkend zu validieren und sein durch Dopingindizien angekratztes Image aufzupolieren.

Kürzlich hatte Armstrong in einem Interview verkündet, er würde es für unehrenhaft halten, zur Tour de France nicht in bestmöglicher Verfassung anzureisen, die Tour sei schließlich das größte und wichtigste Rennen. Jetzt wird Armstrong womöglich keine Wahl haben, als nur in mäßiger Verfassung zu erscheinen und so gut es geht seinen Kapitän Alberto Contador zu unterstützen. Einen Rückzieher zu machen, würde nicht zu Lance Armstrong passen. Ob er allerdings, wie angedacht, noch ein Jahr dranhängt, um solide im Mittelfeld mitzurollen, wird er sich wohl zweimal überlegen.

Sebastian Moll[New York]

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