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Holczer

© dpa

Radsport: Das Unkraut wächst weiter

Ex-Teamchef Holczer hat das Vertrauen in die Kontrollmöglichkeiten und vor allem in die saubere Leistung der Sportler verloren.

Die Tour de France lässt Hans-Michael Holczer nicht los. Zwar leitet er keinen Rennstall mehr. Doch ganz ohne Frankreichrundfahrt kann der frühere Boss des Team Gerolsteiner nicht sein. Zur zweiten Tourwoche ist er wieder eingestiegen. Statt im Mannschaftswagen hinter dem Peloton herzujagen, kutschiert er jetzt für einen Fahrzeugsponsor VIP-Gäste über den Tour-Parcours. „Ich fühle mich jetzt frei und kann den ganzen Betrieb mit anderen Augen betrachten”, sagt Holczer. Die Rückkehr hält aber auch schmerzliche Seiten bereit. „Mich erfüllt Zorn, wenn ich daran denke, dass diese drei Herren (die Dopingsünder Davide Rebellin, Stefan Schumacher und Bernhard Kohl, Anmerkung der Redaktion) es mir nicht erlauben, hier als jemand aufzutreten, dem man mit Respekt und Achtung begegnet.”

Holczer hatte sich gern als Antidoping-Kämpfer präsentiert und war von vielen im Milieu als solcher je nach Perspektive geachtet oder angefeindet worden. Einige aber kritisierten ihn auch wegen seines Festhaltens an Schumacher und Rebellin. Nun sieht er sich einem totalen Scheitern gegenüber. „Wir sind einer Illusion aufgesessen“, sagt er, „der Illusion, dass wir das Dopingproblem mit einer Null-Toleranz-Strategie in den Griff bekommen können.”

Holczer sagt, dass er immer noch enttäuscht sei, dass es drei seiner Fahrer gelungen sei, ihn zu übertölpeln. Er gibt nicht sich die Schuld, sondern dem Kontrollsystem. Es weist noch immer solche Lücken auf, dass die Analysetechnik nicht in der Lage ist, das zu belegen, was offen vor aller Augen liegt. Stefan Schumachers Leistung bei der letzten Tour de France zum Beispiel. „Was wollen Sie machen, wenn Sie Zweifel haben, diese aber nicht durch einen positiven Test bestätigt werden?”, sagt Holczer über Schumachers Zeitfahrsieg. „Sie haben Zweifel, aber es kommt nichts. Vier Tage passiert nichts, acht Tage passiert nichts. Dann finden die Olympischen Spiele statt und es passiert immer noch nichts. Da denken Sie, puh, was wäre, wenn ich ihn rausgeworfen hätte?”

Holczer hat das Vertrauen in die Kontrollmöglichkeiten verloren. Vor allem hat er das Grundvertrauen in die saubere Leistung der Sportler verloren. Da geht es dem langjährigen Insider des Profisports inzwischen wie einem großen Teil der Öffentlichkeit.

Für eine Einstellung der Kontrollen ist er aber nicht. „Nein, gar nicht“, wehrt er vor dem Hotel „Le Rex“ in Pau erschrocken ab. „Wir brauchen die Kontrollen. Ich bin keinesfalls für eine Dopingfreigabe. Ich will das nicht legalisieren, nicht bagatellisieren, aber auch nicht kriminalisieren“, sagt er. Er glaubt jedoch: „Den hundertprozentig sauberen Sport wird es nicht geben. Es hat ihn nicht gegeben, wenn man zum antiken Olympia zurückschaut. Es hat auch den absolut sauberen Radsport nicht gegeben.“

Die Tour ist für ihn zweifellos nicht sauber. Wie groß der Teil der Doper im Peloton ist, will Holczer nicht abschätzen. „Ich arbeite in letzter Zeit viel im Garten“, sagt er, „jeden Tag beseitige ich das Unkraut. Jeden Morgen ist neues nachgewachsen.“ Das erinnere ihn an die Dopingsituation. „Man muss darüber nachdenken, ob man sich daran gewöhnen muss, dass es trotz allen Jätens einen absolut unkrautfreien Garten nicht gibt.“

Wohin diese Überlegungen führen, weiß er nicht. Im September trifft er sich mit Marie-Odile Amaury, der Chefin des Tour-Imperiums. Einfluss haben Holczers Überzeugungen sicherlich. Ob sie aber auch das Unkraut-Problem lösen?

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