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Sport: Radsport: Klettern gegen die Uhr

Die Wangen sind schmal, die Haare kurz. Wie bei seinem Gold-Silber-Triumph vor einem Jahr in Sydney kommt Jan Ullrich mit Gesichtsaskese und Kämpferfrisur daher.

Die Wangen sind schmal, die Haare kurz. Wie bei seinem Gold-Silber-Triumph vor einem Jahr in Sydney kommt Jan Ullrich mit Gesichtsaskese und Kämpferfrisur daher. Der Kurs ist schwer, das neue Rad ist leicht. Gute Anzeichen und beste Voraussetzungen also für einen neuen goldenen Herbst bei der Rad-Weltmeisterschaft in Lissabon - schon heute im 38,7 Kilometer langen Einzelzeitfahren. Auch wenn er sich mehr auf das Straßenrennen am Sonntag konzentriert, wie er offen bekundet, gilt der Weltmeister von 1999 dennoch als Favorit für den Kampf gegen die Uhr und gegen die von dem Kolumbianer Santiago Botero (zweimal Erster, einmal Zweiter in den Zeitfahren der Vuelta) angeführte Konkurrenz.

Nach den ersten Trainingsrunden am Dienstag zusammen mit Jens Voigt durch den bergigen und kurvenreichen Stadtpark Monsanto gab sich Ullrich beeindruckt - und zufrieden mit dem extrem anspruchsvollen Streckenprofil. "Sehr schwer. Lang gezogene Wellen. Sehr steile Berge, die sich oben weiterziehen. Wirklich sehr anspruchsvoll." Mögen andere über das "Bergzeitfahren" (Ullrich) auch vorab schon stöhnen wie etwa Voigt, der es "lieber ein bisschen leichter, gerader und flacher" hätte,empfindet der Tour-Zweite die außergewöhnlichen Anforderungen durchaus als angenehm. "Für mich ist es nicht schlecht, dass der Kurs so schwer ist." Je schwerer, umso besser für die Besten, ihre Stärke auch ausspielen zu können. "Seit ich dabei bin, ob selbst im Wettkampf oder am Fernseher, hat es keine so schwere Zeitfahrstrecke gegeben", urteilt Ullrich.

Ihm ist es recht, obwohl er sich gar nicht mehr sicher ist, "was ich zeitfahrmäßig überhaupt drauf habe". Seit der Tour de France vor gut zweieinhalb Monaten ist Ullrich nicht mehr allein gegen die Digitaluhr angetreten. Seine ganze Vorbereitung mit den beiden Siegen in Italien vergangene Woche, "wo ich Casagrande und Rebellin abgespurtet und ein bisschen geschockt habe", war ganz gezielt auf das Straßenrennen am Sonntag ausgerichtet. "Hier liegen meine Stärken und Ambitionen. Zeitfahrweltmeister war ich schließlich schon."

Dennoch treibt ihn der Ehrgeiz auch in seiner einstigen Paradedisziplin an. Also grübelt und tüftelt der 27-Jährige auch, welches Rad und welche Ausrüstung die vorteilhaftesten sind. "Ich bin auf alles vorbereitet." Der Telekom-Star hat die Wahl zwischen zwei Spezialrädern für das Zeitfahren: Zwischen dem zeitgemäßen, aerodynamischen Karbon-Velo aus einem Guss und einem umgebauten Straßenrad mit einem Aluminiumrahmen. Beim Umbau bastelten die beiden belgischen Mechaniker François Verleysen und Perry Moerman noch am Mittwoch herum, um es, so Moerman, "bis zu einem Kilo leichter zu machen" als das moderne Zeitfahrrad. Die Vorgabe des Telekom-Sportdirektors Rudy Pevenage lautete: Leichter, um die 7,8 Kilo schwer, aber dennoch stabil. Nach einer zweiten Testfahrt entschied sich Ullrich für das neue Modell.

Hartmut Scherzer

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