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Radsport: Misstrauen am Straßenrand

Die deutsche Meisterschaft steht im Zeichen des Dopingverdachts – Fans sorgen sich um den Breitensport.

Das öffentliche Interesse am Radsport hat derzeit nicht mehr sonderlich viel mit dem eigentlichen sportlichen Geschehen zu tun. Das ist spätestens seit der sogenannten „Geständniswoche“ im Mai klar. Die deutsche Meisterschaft der Straßenradfahrer in Wiesbaden machte da keine Ausnahme. Beispielhaft war dafür schon das Verhalten der Zuschauer im Zielbereich. Noch bevor die schon am frühen Morgen mit ihren Mitbewerberinnen ins Rennen geschickte Cottbuserin Luise Keller vom niederländischen Team Flexpoint als Siegerin ins Ziel raste, verließen die Beobachter die Strecke und wandten sich der Vorstellung der Teams des Männerrennens zu. „Man will doch mal die genauer anschauen, die gedopt haben sollen“, begründete ein Zuschauer seine Präferenz.

Spätestens die Geschehnisse der letzten Tage sorgten dafür, dass der Sport in Wiesbaden endgültig nur noch als Kulisse taugte für den Überlebenskampf einer Sportart. Anfang der Woche war Udo Sprenger, Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), bei der Meisterschaft als Rennleiter tätig, in den Fokus der Dopingberichterstattung geraten. Nach Aussagen eines anonymen Teammitarbeiters soll Sprenger in seiner Tätigkeit als Sportlicher Leiter des Teams Nürnberger die Sportler mit Dopingmitteln versorgt haben. Am Renntag selber kursierte in der Radsportszene der genaue Wortlaut der Dopingbeichte von Jörg Jaksche im „Spiegel“, in der auch Jens Voigt in den Dopingstrudel gezogen wurde. Voigt galt bislang als Saubermann. Er soll sich gegenüber Jaksche über mögliche Wege des Versteckens von Dopingmitteln geäußert haben.

„Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe. Aber das war sicher nicht konspirativ gemeint, eher im Flachs“, verteidigte sich Voigt gegen die Dopingunterstellungen. Der BDR stärkte dem 35 Jahre alten Fahrer des dänischen Teams CSC erst einmal den Rücken, indem er den Berliner für den vorläufigen Kader für die Olympischen Spiele 2008 nominierte. Zugleich betonte Radsportpräsident Rudolf Scharping aber seine Hochachtung vor dem geständigen Jaksche: „Der Mann hat Mut. Das ist vielleicht die einzige Chance, an die Hintermänner des Dopings heranzukommen. Den Boden des Fasses haben wir aber noch nicht gesehen.“

Davon gehen auch Marco Rühl und Daniel Weymann von der Faninitiative „Fans-gegen-Doping.de“ aus. Die Hobbyradsportler haben gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Enthusiasten im Vorjahr aus einem Internetforum heraus eine Plattform gegründet, mit der sie zur Rettung des Radsports als Breitensport beitragen wollen. „Das Schlimmste an der ganzen derzeitigen Diskussion ist doch, dass der Radsport selbst als Hobbysport in Misskredit gerät“, sagt Rühl. „Man kann kaum noch einen Geschäftsmann für ein Hobbyrennen als Sponsor für 100 Euro gewinnen.“ Die Verzweiflung der nach Wiesbaden gereisten Fans spiegelte sich auch auf dem Asphalt wider. Wo zu anderen Zeiten Namen wie Zabel, Sinkewitz oder Voigt aufgemalt würden, schrien den 141 Teilnehmern des Männerrennens Fragen wie „Ihr habt alle gedopt?“ auf jeder der 13 Runden à 15 Kilometer entgegen.

Lediglich ein berühmter Radsportfan scheint da noch unbeeindruckt zu sein in seiner Begeisterung. Didi Senft, von seinen Auftritten im Teufelsköstum bei der Tour de France bekannt, will beispielsweise die Neuigkeiten aus dem Munde Jörg Jaksches erst gar nicht erfahren: „Ich lese die Dopinggeschichten seit geraumer Zeit schon nicht mehr. Das war mir doch eh alles schon immer klar“, sagt Senft. Zur Tour de France wird er auch dieses Jahr reisen. Er wird wieder neben den Radstars den Berg hochhecheln in der Annahme, dass seine Unterstützung beim Weg auf die Gipfel benötigt wird.

Wenigstens die beiden Hauptakteure des Meisterschaftsrennens in Wiesbaden wecken unterdessen leise Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Fabian Wegmann, der sich und seinem Team Gerolsteiner im Spurt den ersten Meistertitel sicherte, und der unterlegene Zweite Patrik Sinkewitz vom Team T-Mobile gehören aufgrund ihres relativ jungen Alters von 26 Jahren zur Generation der Hoffnungsträger.

Daniel Meuren[Wiesbaden]

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