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Brüder am Ball. Raffael (links) und Ronny haben als Kinder oft gegeneinander gespielt, von 2010 bis 2012 dann bei Hertha BSC auch zwei Jahre gemeinsam als Profis.

© Imago

Raffael gegen Ronny: Der Familienfrieden steht auf dem Spiel

Im Samstagabendspiel des 26. Spieltags empfängt Borussia Mönchengladbach Hertha BSC. Dabei könnte es erstmals zu einem Bruderduell zwischen Ronny und Raffael kommen. Wer von ihnen der Bessere ist, ist für beide klar.

Ronny sitzt im Scheinwerferlicht, eine Kamera des Fernsehsenders Sky ist auf ihn gerichtet, und er macht nicht den Eindruck, dass ihm diese Situation allergrößtes Behagen bereitet. Der Brasilianer gibt sich wortkarg, doch das ist in diesem Fall Teil des Spiels: Sagen Sie jetzt bitte nichts! Der Mittelfeldspieler von Hertha BSC bekommt ein Stichwort und soll sich allein pantomimisch dazu äußern. Dass Ronny kein großer Redner ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Ein Freund ausladender Gesten ist er offensichtlich auch nicht. Bei jedem zweiten Stichwort klopft er sich mit der flachen Hand auf die Brust, genau dahin, wo sein Herz ist.

Ronny ist eben ein Gefühlsmensch, und das ist zugleich sein größter Vorzug wie sein größtes Problem. Wenn es gut läuft für ihn, so wie in der vergangenen Zweitligasaison mit Hertha BSC, trägt ihn die gute Laune leichtfüßig über das Feld. Wenn es nicht läuft, so wie in dieser Spielzeit eine Liga höher, scheint sich der Brasilianer irgendwie willenlos dem Blues hinzugeben.

An diesem Sonnabend könnten seine Gefühle wieder richtig in Wallung geraten. Wenn Hertha BSC (18.30 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach antritt, ist das auch eine Art Familienduell. Ronny trifft auf Raffael, seinen ein Jahr älteren Bruder. Traum oder Albtraum? „Es ist ein Traum“, antwortet Ronny. „Nur für unsere Eltern wird es schwierig.“ Bei Ronny und Raffael aber werden vermutlich die Erinnerungen an früher wieder hochkommen. An die Kindheit in Brasilien, als sie gemeinsam auf der Straße kickten, immer gegeneinander. „Ich habe immer gerne gegen ihn gespielt“, sagt Ronny.

Von 2010 bis 2012 spielten Ronny und Raffael 25-mal gemeinsam für Hertha

Dem familiären Frieden war es trotzdem deutlich zuträglicher, als die beiden Brüder aus Fortaleza bei Hertha angestellt waren. Zwischen 2010 und 2012 spielten sie 25-mal gemeinsam für die Berliner. Heute könnten sie zum ersten Mal in der Bundesliga zusammen in der Startelf stehen – als Gegner. Im dritten Versuch scheint das Duell endlich zustande zu kommen, nachdem Herthas Trainer Jos Luhukay Ronny im Hinspiel 90 Minuten lang auf der Bank sitzen ließ und Raffael im Januar beim Test im Trainingslager fehlte, weil er am selben Tag noch in einem zweiten Spiel der Gladbacher zum Einsatz kam.

An Raffael wird das brasilianische Bruderduell diesmal nicht scheitern. Der Ältere der beiden de Araujos ist von seinem Trainer Lucien Favre in dieser Saison in allen 25 Spielen in die Anfangsformation berufen worden. Raffael erlebt gerade die vielleicht beste Saison seiner Karriere. 13 Tore hat er bisher für die Gladbacher erzielt, so viele wie nie zuvor in einer Saison, dazu fünf vorbereitet.

Der Unsicherheitsfaktor ist – wie im Hinspiel – Ronny. Auf die Frage, ob der am Samstag zum zweiten Mal hintereinander in der Startelf stehen werde, hat Herthas Trainer Jos Luhukay Anfang der Woche geantwortet: „Die Wahrscheinlichkeit ist groß.“ Aber da musste Herthas Trainer auch noch davon ausgehen, dass Änis Ben-Hatira und Marcel Ndjeng für das Spiel in Mönchengladbach ausfallen. Beide sind jedoch wieder verfügbar.

Ronny hat bekannte Defizite im Spiel gegen den Ball

Ronny hat nach seinem Einsatz gegen Hannover vor einer Woche trotz der 0:3-Niederlage recht passable Kritiken bekommen. Aber wer am vergangenen Samstag genauer hingeschaut hat, konnte auch in diesem Spiel die bekannten Defizite entdecken. Es ist ja weniger die mangelnde Fitness, die Ronny im Wege steht; es ist sein allgemeines Verständnis vom Fußballspiel. Sein Beitrag zum Spiel ohne (oder wie es heute heißt: gegen den) Ball ist überschaubar. Doch genau darauf wird es am Samstagabend gegen die Gladbacher ankommen: auf eine kompakte Mannschaftsleistung, auf kollektive Verteidigung und schnelles Umschalten. Ronny tritt gerne erst einmal auf den Ball, schaut und spielt dann. Wenn überhaupt.

Sein Bruder ist da ganz anders. Raffaels Spiel wird eher vom Hirn gesteuert als vom Herzen. „Er spielt sehr intelligent und kann ein Spiel sehr gut lesen“, sagt Ronny. Lucien Favre hat Raffaels taktisches Vermögen einmal in den simplen Hauptsatz gekleidet: „Er spielt richtig.“ Das hat Raffael seinem Bruder ohne Zweifel voraus, obwohl der in der Jugend als der Talentiertere galt. Sollte es so gewesen sein, hätte sich das längst geändert. „Ich finde, dass Raffael der bessere Fußballer ist“, sagt Ronny.

Wenn man unter Fußball mehr versteht, als mit dem linken Fuß fest und präzise zu schießen, dann ist das definitiv so.

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