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Rasen der Leidenschaften: Berlins Fußballstadien: Wo der Ball zuhause ist

Christian Wolter liefert mit seinem Buch "Rasen der Leidenschaften: Die Fußballplätze von Berlin - Geschichte und Geschichten" ein neues Standardwerk nicht nur für Stadionnostalgiker. Eine Rezension.

Zum Jahresauftakt liefert Christian Wolter, 1972 in Teterow geboren, ein Buch zu den Stadien und Fußballplätzen Berlins ab. Es ist ein 280seitiges hochformatiges Hardcover mit einer Unmenge an historischem Fotomaterial und kurzweiligen Texten. Dem einen oder anderen Betrachter wird schnell auffallen, dass dieses Buch seit mindestens zwei Jahrzehnten überfällig ist. Der Autor vermutet, dass derartige Veröffentlichungen vor 20 Jahren noch nicht von allgemeinem Interesse waren, wenngleich es zwar immer mal wieder ein gutes Buch über das Berliner Olympiastadion gab, aber eben kein allumfassendes repräsentatives Werk, welches beginnend von den ersten Fußballvereinen der Stadt deren sportliches auf und ab behandelt, über die Errichtung der Arenen, beziehungsweise deren kriegsbedingter Zerstörungen und Wiedererrichtungen.

In der jüngeren Vergangenheit nahm der Verlag "Die Werkstatt" eine Vorreiterfunktion ein. Vergleichbar mit "Rasen der Leidenschaften" sei aber "Das große Buch der deutschen Fußballstadien" von Werner Skrentny, der hier auch als Gastautor mit einem Beitrag über das Olympiastadion auftaucht. Der Autor Christian Wolter studierte in Leipzig Museologie, aus seiner Abschlussarbeit über das dortige Bruno-Plache-Stadion resultierte 2008 das aufwendig gestaltete Buch "Stadion, Tore, Emotionen", das überwiegend von den Fans des 1. FC Lokomotive Leipzigs wahrgenommen wurde, aber für die Gesamtberliner Ausgabe einiges versprach.

Über 66 Spielstätten wird im Buch berichtet

Der Stadionhistoriker ist für die Arbeit an "Rasen der Leidenschaften" in die Hauptstadt gezogen, er durchforstete zweieinhalb Jahre die Archive des Landes und der Vereine. Obwohl der Krieg seinen Tribut forderte, in einigen Bezirken mit der Änderung der Bevölkerungsstruktur einiges an Material verloren ging und mancher Verein kaum etwas archivierte, fanden sich dennoch einige Goldadern, zum Beispiel bei den einstigen fußballerischen Größen Berliner SC und BFC Preussen.

Insgesamt sind es 66 Spielstätten, von 1880 bis heute, über deren Vereine, sowie Rekorde und Tumulte, berichtet wird. Es werden einige Seiten zum inzwischen verblichenen Avus-Stadion geliefert, welches sich direkt neben dem Mommsenstadion in Charlottenburg befand, sowie zum Stadion der Weltjugend in Mitte und zur Weddinger Plumpe sowieso. Man erfährt, dass der erste deutsch-deutsche Freundschaftsvergleich nach dem Mauerbau zwischen dem Berliner Altmeister Viktoria 89 und Schifffahrt/Hafen Rostock stattfand, dass sich kurz nach einem Spiel zwischen Hertha BSC und Tennis Borussia, 1928 im Deutschen Stadion, ein Straßenbahnunglück ereignete, welches als größte Fußballtragödie Berlins gilt, bei dem es sechs Tote und über 100 Verletzte zu beklagen gab.

Auf den vielen Fotos der verschiedenen Epochen finden sich viele unterschiedliche Zeitgesichter. Mitunter wird die einst starke Arbeitersportbewegung thematisiert, die mit der Machtergreifung der Nazis ihr plötzliches Ende fand. Diese Lektüre ist eine Reise durch die Jahrzehnte und Gesellschaftsordnungen. Flurkarten und Karikaturen passen ins liebevolle Layout. Luftaufnahmen wie die vom mit Schnee bedeckten Stadion von Lichtenberg 47, umgeben von den Plattenbauten des ehemaligen Ministeriums der Staatssicherheit, besitzen ihren eigenen spröden Charme.

Rasen der Leidenschaften - Die Fußballplätze von Berlin - Geschichte und Geschichten. Verlag edition else. ISBN 978-3-00-036563-8. 280 Seiten. 262 Abbildungen. Gebunden. 19,80 €

Unser Rezensent Andreas Gläser, 1965 in Berlin-Prenzlauer Berg geboren, hat unter anderem das Buch "Der BFC war schuld am Mauerbau. Ein stolzer Sohn des Proletariats erzählt" geschrieben.

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