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Sport: Rasenfolter

Liverpool steht vor dem zweiten Trainer-Rauswurf der Historie

London. „The writing’s on the wall“, sagt man in England immer dann, wenn große Ereignisse ihren Schatten vorauswerfen. Am Dienstag der vergangenen Woche passte das geflügelte Wort besonders gut zur schlechten Stimmung beim FC Liverpool: Unbekannte Fans hatten Anti-Gérard-Houllier-Sprüche auf die Mauer des Trainingszentrums gemalt. Am selben Tag veröffentlichte die Stadtzeitung Daily Post eine Umfrage, nach der 48 Prozent des Anhangs den französischen Trainer des großen Fußballklubs von der Merseyside am liebsten sofort zurück in seine Heimat schicken wollen. Der Frust über das Aus im englischen Pokal vor einer Woche gegen Portsmouth war so groß, dass selbst ehemalige Liverpooler Spieler wie Ian St. John offen Houlliers Entlassung forderten.

Dazu muss man wissen, dass der FC Liverpool ein ganz besonderer Verein ist, was die Loyalität zu seinen Trainern betrifft. Die Klubchronik weist nur einen Trainer auf, der vorzeitig gehen musste. Das war Don Welsh – vor 50 Jahren. Auch an Houllier hielt der Vorstand lange fest, als er wegen eines Herzleidens krankgeschrieben war und eine Fortsetzung seiner Trainerkarriere mehr als fraglich erschien. Jetzt aber könnte es eng werden. Heute muss Liverpool bei Leeds United antreten, ein Sieg ist Pflicht. Denn nachdem aus den vergangenen fünf Partien nur sechs von 15 möglichen Punkten geholt wurden und der Verein in der Liga auf Platz sechs abgerutscht ist, ist das vom Vorsitzenden David Moores geforderte „Minimalziel“ Champions-League-Qualifikation stark gefährdet.

Houllier weiß um den Druck, und er ist ihm bislang immer mit bildreicher Sprache entgegengetreten. Als am Ende der vergangenen Saison nur der fünfte Platz zu Buche stand, erklärte der ehemalige Englischlehrer, nach fünf Jahren des stetigen Aufstiegs habe man nun eben ein Plateau erreicht. Alpinisten hätten sich darüber vielleicht gefreut, doch die Geburtsstadt der Beatles liegt an der englischen Westküste, nicht in den Bergen. Hier gibt es andere Ansprüche.

Noch mehr als die unbefriedigenden Ergebnisse schmerzt die Fans die mangelnde Spielkultur von Houlliers Truppe. In der auf der ganzen Welt für ihren spektakulären Tempofußball bewunderten Premier League sind die Reds unter seiner Ägide zum Inbegriff für sterile Defensiv-Taktik geworden. „Jahrelang konnten Liverpools Fans stolz darauf sein, dass ihre Mannschaft Angriffsfußball mit Feuer und Aggression spielte“, kritisiert St. John. „Doch heute lässt sie Houlliers Truppe kalt. Die sitzen da wie Zombies und buhen am Ende. Die Fans sind angeekelt. Wenn es einen Wechsel gäbe, wären sie froh.“ Neutrale Beobachter kritisieren noch schärfer. Der linksliberale „Guardian“ stufte Liverpools Spiele vor kurzem als „das fußballerische Äquivalent zu chinesischer Wasserfolter“ ein. Und so etwas lässt sich auf Dauer auch der loyalste Vorstand nicht bieten.

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