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Sport: Raus aus dem Iglu

Owen Hargreaves hat sich bei Manchester United durchgesetzt

Owen Hargreaves wusste schon, dass es am Anfang nicht leicht im neuen Verein für ihn werden würde, dass es dermaßen sozial-darwinistisch, sprich: brutal zugehen würde, hat ihn dennoch überrascht. „Der Druck in der Mannschaft war wahrscheinlich zu hoch“, erzählte der Mittelfeldspieler von Manchester United der „Sunday Times“, „es gab die ganze Zeit üble Grätschen und Kämpfe. Es ist unglaublich, wie oft ich mit den älteren Spielern aneinander geraten bin. Sie haben sich wohl durch mich bedroht gefühlt.“

Wer in England solche Interna ausplaudert, hat in der Kabine nicht mehr viel zu lachen. Hargreaves braucht sich jedoch keine Sorgen vor Repressalien machen, die angesprochenen Dinge sind längst verjährt: Der englische Nationalspieler hat sich dieser Tage nur noch einmal an seine harten Lehrjahre beim FC Bayern erinnert, als Leithammel wie Stefan Effenberg, Mario Basler und Lothar Matthäus die Richtung vorblökten. „Es gab eine feste Hierarchie“, sagt er, „jeder hatte seinen bestimmten Platz. Über mich, den Kanadier, haben sie nur gelacht: ‚geh’ doch zurück in dein Iglu’ ging der Witz. Selbst die Trainer haben mich zurück gehalten. Sie dachten, ich komme zu schnell vorwärts. Hier in Manchester geht es nicht darum, wie alt du bist. Es gibt nur gute oder schlechte Spieler. Das stimmt wirklich“.

Stars wie Wayne Rooney und Cristiano Ronaldo (beide 22), oder auch die im Sommer verpflichteten Anderson, 19, und Nani, 21, hätten es in München schwerer gehabt, deutet der in Calgary geborene Sohn englischer Eltern an. Mit seinen 27 Jahren gehört er im Kader von Trainer Alex Ferguson schon zu den erfahrenen Spielern. Auf dem Platz kam er nach seinem 27-Millionen-Euro-Transfer zunächst trotzdem kaum vorwärts. Fergusons Rotationspolitik und eine hartnäckige Sehnenreizung im Knie verhinderten regelmäßige Einsätze, in der Gruppenphase der Champions League reichte es nur zu elf Minuten. Am Samstag bestritt er auswärts gegen den FC Fulham sein 13. Ligaspiel, und es war sein bisher bestes: Hargreaves erzielte das 1:0 für die Red Devils mit einem gekonnten Freistoßheber ins Torwarteck. Sein erster Treffer für den neuen Arbeitgeber ebnete den Weg zu einem völlig ungefährdeten 3:0-Sieg. Man hat nur noch einen Punkt Rückstand auf Tabellenführer Arsenal. „Was die Zielsetzung angeht, ist es bei United wie bei Bayern: ein Unentschieden ist ein schlechtes Ergebnis. Ich erwarte, dass wir ins Finale der Champions League kommen“, sagt Hargreaves, der 2001 mit Bayern den Europapokal gewann.

Am Dienstag wird Hargreaves im Champions-League-Heimspiel gegen Lyon (Hinspiel 1:1) wieder den Sonderbewacher des brasilianischen Spielmachers Juninho geben – genau für solche unglamourösen Spezialmissionen hat ihn Ferguson verpflichtet. Vielleicht wäre selbst der unglückliche Steve McClaren noch im Amt, wenn Hargreaves gegen Kroatien und in Russland ein wenig Ordnung ins taktische Chaos gebracht hätte. Doch Englands bester Spieler bei der WM in Deutschland verpasste die desaströsen Niederlagen in der EM-Qualifikation verletzt.

Während die EM ohne England ausgetragen wird, will Hargreaves das Land – sein Land – besser kennen lernen. Noch immer hegt der gemeine Fußballfan hier ja Zweifel, wie englisch der Mann mit kanadisch-deutschen Akzent wirklich ist. „Ich habe mich immer als Engländer gefühlt“, sah sich Hargreaves genötigt, dem „Guardian“ zu erzählen, „bei uns gab es Sonntags immer Roastbeef und Yorkshire Pudding, meine Mutter trinkt 20 Tassen Tee am Tag“. Auch diese Beweisführung hat aber noch nicht alle überzeugt. Hargreaves liest Milan Kundera-Romane und gilt in der Nationalmannschaft als verwegener Abenteurer, seit er während der WM vom Teamhotel in Baden-Baden für einen unbehelligten Stadtbummel nach Strassburg (in Frankreich!) fuhr. Soviel eigenständiges Denken ist man von den hiesigen Profis einfach nicht gewöhnt.

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