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Sport: Raus aus dem Keller

Dreizehn Jahre nach seinem Triumph bei der Tour de France hat Jan Ullrich unvermittelt die Möglichkeit zu seinem größten Sieg bekommen. Es ist die Chance, sein Radler-Ich abzuschütteln, das Alter Ego der stetigen Selbstverleugnung, das man vermutlich haben muss, um im versumpften Radsport nicht unterzugehen.

Von Christian Hönicke

Dreizehn Jahre nach seinem Triumph bei der Tour de France hat Jan Ullrich unvermittelt die Möglichkeit zu seinem größten Sieg bekommen. Es ist die Chance, sein Radler-Ich abzuschütteln, das Alter Ego der stetigen Selbstverleugnung, das man vermutlich haben muss, um im versumpften Radsport nicht unterzugehen.

Wie schon früher hat ihm dabei auch diesmal Rudy Pevenage den Weg geebnet. Sein Mentor macht Schluss mit dem Versteckspiel und gibt zu, Ullrichs Blutauffrischungstouren organisiert zu haben. Damit gibt es für Ullrich eigentlich keine Alternative mehr zum Coming-out. Zwar drohen ihm juristisches Ungemach und Schadenersatzforderungen, wenn er sein „Ich-habe-niemanden-betrogen“-Mantra endlich aus der Radfahrersprache ins umgangssprachliche „Ich habe gedopt, wie die anderen auch“ übersetzt.

Aber wenn Ullrich noch mehr vorhat mit seinem restlichen Leben, als sich mit seinen Trophäen und seinem Alter Ego in einem Schweizer Keller einzumauern, dann muss er jetzt aus der Deckung hervorkommen und die Sonne auf seinen Impfpass scheinen lassen. Die ganze Wahrheit, keine halben Sachen mehr – dann, nur dann, kann Jan Ullrich wieder zu sich selbst finden. Und zurück in die Gesellschaft.

Er sollte diese Chance nutzen. Es steht allerdings zu befürchten, dass ihn sein Radler-Ich auch diesmal besiegen wird.

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