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Inmitten der Trümmer.

© REUTERS

Sport: Raymond ne va plus

Den Franzosen unter Trainer Domenech hilft nach dem 0:2 gegen Mexiko nur ein Wunder. Aber der Mannschaft scheint die WM ohnehin egal zu sein.

Wenn im Fußball Begriffe wie Ehre und Würde bemüht werden, ist meist eine Menge schiefgelaufen. „Unwürdig“, „eine Schande“, „ein Debakel“, urteilte am Freitag die französische Presse, am Tag nach der desaströsen 0:2-Niederlage des Vizeweltmeisters gegen Mexiko. Die Sportzeitung „L’ Equipe“ rechnete auf der Titelseite per Leitartikel gnadenlos mit den „Hochstaplern“ ab: „Die Unfähigkeit der französischen Mannschaft widerlegt all das Gerede von Raymond Domenech und seinen Spielern über ihre angebliche Charakterstärke und Reaktionsfähigkeit.“

In der Tat standen die öffentlichen Aussagen in den Vorbereitungswochen zunehmend im Kontrast zu den teils erschreckenden Leistungen in den Testspielen. Wenn es wirklich um etwas gehe, werde die Mannschaft da sein, hieß es. Spätestens nach dem zweiten Gruppenspiel ist klar: Diese Parolen waren pure Autosuggestion. Und schlimmer: Die Franzosen spielten nicht nur schlechten Fußball, sie traten nicht einmal als Mannschaft auf. Auch wenn nach einem Punkt aus zwei Spielen das Weiterkommen der Franzosen noch möglich ist, war das Urteil einhellig: Diese Mannschaft hat es nicht verdient.

Es ist nicht neu, dass sich im Kader mehrere Gruppen gebildet haben, die nicht miteinander können: Die in Frankreich spielenden Profis um den Torhüter Hugo Lloris, Jeremy Toulalan und Yoann Gourcuff; die Spieler aus den sogenannten „sensiblen Vierteln“ der Banlieue wie Franck Ribéry und Nicolas Anelka; die Altgedienten wie Thierry Henry und schließlich Freigeister wie Florent Malouda.

Überraschend ist aber, wie sehr sich die Gruppenbildung auf den Platz übertragen hat. Yoann Gourcuff, der in der gesamten Vorbereitung und im Auftaktspiel gegen Uruguay als Spielmacher fungierte, wurde von den anderen Offensivkräften teilweise einfach ignoriert, besonders von Mittelstürmer Nicolas Anelka. Gegen Mexiko gehörte er nicht mehr zur Startelf. Schuld daran sind offenbar die von Ribéry angeführten „Putschisten“, die den schüchternen 23-Jährigen aus dem Team gemobbt haben sollen.

Ribéry und Anelka gehören zu den Spielern, die sich für Leitwölfe halten. Tatsache ist, dass Frankreich seit dem Abschied von Zinedine Zidane keinen Spieler mehr hat, der den Laden zusammenhält. Der hatte in den vergangenen Tagen seinen Landsmännern mit den Worten „Legt die Egos beiseite“ erfolglos ins Gewissen zu reden versucht.

Dass Domenech sich dem Druck einzelner Spieler beugte, zeigt auch, wie sehr er die Kontrolle über diese zerborstene Mannschaft verloren hat. So wie sein Verhalten gegenüber Thierry Henry: Erst ließ Domenech den Rekordtorjäger trotz des Rückstands auf der Bank, dann ließ er ihn lange vergeblich warmlaufen. Einige machten sogar ein leichtes Lächeln Domenechs Lippen aus, als das erste Gegentor fiel. So als habe er ohnehin nie an einen Erfolg dieses Teams geglaubt.

Eine Quelle des Zusammenhalts hat „L’ Equipe“ übrigens doch noch ausgemacht: „Die Alles-egal-Haltung ist das einzige Banner, hinter dem diese Mannschaft es schafft, vereint aufzutreten.“

Matthias Sander[Paris]

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