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Sport: Reaktionäres System

Herthas Spieler plädieren für eine Dreierkette

Berlin - Oliver Schröder ist kein Freund der Moderne, zumindest im Fußball nicht. „Ganz Europa spielt plötzlich mit Viererkette, weil das modern sein soll. Ich hab das nie verstanden“, sagt der Mittelfeldspieler von Hertha BSC. Sein eigener Verein muss ihm daher im Moment viel Freude bereiten: als Bollwerk der Anti-Moderne. Am vergangenen Wochenende haben die Berliner in Bremen mit einer Dreierkette in der Abwehr gespielt, trotzdem 3:0 gewonnen – „und noch zehn Torchancen gehabt“, wie Yildiray Bastürk sagt. „Ich würde daran nichts ändern.“ Mit dieser Meinung steht der offensive Mittelfeldspieler in Herthas Mannschaft keineswegs alleine da.

Es ist ein wenig paradox. Die Berliner begründen ihre Vorliebe für die Dreierkette genauso, wie einst für ihre Abschaffung zugunsten der Viererkette argumentiert wurde: Die eigene Mannschaft soll über einen zusätzlichen Mann im Mittelfeld verfügen. Natürlich ist das System mit einem freien Mann in der Abwehr nicht mehr zu vergleichen mit dem „Vorkriegsmodell, in dem der Libero 30 Meter hinter den Vorstoppern stand“, wie Herthas Trainer Falko Götz sagt. Bei der modernen Variante spielen alle drei Verteidiger auf einer Linie und der mittlere rückt beim Spielaufbau ins Mittelfeld vor.

„Es geht nicht um Dreier- oder Viererkette“, sagt Falko Götz. „Das ist die falsche Diskussion. Es geht um die beiden Sechser davor.“ In Bremen hat er vor der Abwehr zwei defensive Mittelfeldspieler aufgebaut, „weil die Absicherung unserer starken offensiven Spieler dadurch besser klappt“. Mit dem identischen System haben Götz und seine Mannschaft vor einem Monat auch schon das Spiel der Bayern lahm gelegt und ein 0:0 gegen den Tabellenführer erreicht. Gegen Bremen klappte die Variante noch besser, weil das System Werders spezielle Stärken wirkungsvoll neutralisierte.

„Wir sind besser in die Zweikämpfe gekommen und mussten dem Ball nicht dauernd hinterherlaufen“, sagt Malik Fathi, der normalerweise in der Viererkette als linker Außenverteidiger spielt und in Bremen mit einer neuen Aufgabe in der Dreierkette klar kommen musste. Werder setzt seine Gegner in der Regel weit vorne durch gezieltes Pressing unter Druck. Weil Hertha sich dieser Bedrohung immer wieder entziehen konnte, rückte Bremens Abwehrkette bis fast an die Mittellinie vor, um den bespielbaren Raum weiter zu verengen und den Druck auf Hertha zu erhöhen. Vor den Toren zum 2:0 und 3:0 genügte den Berlinern dann allerdings eine simple Aktion, um Werders komplette Defensive zu überwinden.

Die Diskussion um das passende Spielsystem illustriert ein Grundproblem der Berliner. Herthas Mannschaft ist stärker, wenn sie reagieren kann und nicht agieren muss. Anders als die wirklich Großen der Liga haben die Berliner kein festes System, sondern reagieren flexibel auf die Taktik des Gegners. Die Bremer zum Beispiel spielen immer mit einer Raute im Mittelfeld. Sie haben das Selbstvertrauen, dem Gegner jederzeit das eigene Spiel aufzuzwingen. Herthas Trainer Falko Götz sagt, er richte sein System danach, welche Spieler er zur Verfügung habe – in Wirklichkeit richtet er sich auch nach dem Gegner. Die Bielefelder, Herthas Heimspielgegner am Sonntag, spielen jedoch ganz anders als die Bremer. Götz erwartet eine Mannschaft, die sich weit zurückzieht und auf Konter wartet. „Bielefeld wird sicher kein einfaches Spiel“, sagt Herthas Trainer. „Da müssen wir selbst Druck machen.“ Schöne Aussichten sind das nicht.

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