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© dpa

Red Bull: Kampf der Kollegen

Mark Webbers Formel-1-Karriere schien fast beendet, jetzt macht er Sebastian Vettel das Leben schwer.

Mark Webber schlenderte beschwingt durch das Fahrerlager am Nürburgring und spürte jede einzelne Hand, die ihm auf die Schulter klopfte. Er war auf dem Weg zur Party seines Rennstalls Red Bull, wo seine Crew und sein Stallgefährte Sebastian Vettel ihn schon zum obligatorischen Siegerfoto erwarteten. Es war das einzige Mal an diesem Sonntag, dass Vettel schneller gewesen war als Webber. „Mark war einfach unschlagbar heute“, gestand der Deutsche, der beim Großen Preis von Deutschland hinter dem Australier als Zweiter ins Ziel gekommen war.

Dabei war vor nicht allzu langer Zeit gar nicht klar, ob überhaupt noch einmal jemand auf Webbers Schulter klopfen dürfen würde. „Sie schmerzt ihn immer noch beim Fahren“, erzählte sein Teamchef Christian Horner. Der 32-Jährige hatte sie sich im November bei einem schweren Fahrradunfall auf Tasmanien genauso gebrochen wie das Schien- und Wadenbein. „Er wusste nicht, ob er jemals wieder Rennen fahren können würde“, sagte Horner.

Während Vettel den neuen Red Bull bei den Tests um die Strecke jagte, begab sich Webber in die Reha. „Selbst einfache Dinge wie Laufen oder Schwimmen waren extrem hart“, berichtete Webber. „Aber ich wusste durch Sebastians Testzeiten, dass wir ein schnelles Auto haben. Das hat mir unglaubliche Motivation gegeben.“

Diese Motivation trug ihn auch durch die ersten Saisonrennen, die er unter großen Qualen bestritt. Außerhalb des Autos konnte er sich kaum normal fortbewegen, noch immer steckt ein 20 Zentimeter langer Nagel in seinem Bein und die Schulter schmerzt bis heute beim Lenken. Angesichts dieser Leidensfähigkeit freute es Horner besonders, „dass Mark endlich mal belohnt wurde und ein Rennen gewonnen hat“.

Das Durchhaltevermögen Mark Webbers wurde nämlich nicht erst seit dem Tag seines Unfalls auf die Probe gestellt. Zuvor war der anerkannt schnelle Australier schon acht Jahre lang mit unterlegenem Material in der Formel 1 hinterhergefahren und verglich sich deswegen nicht ohne Grund mit Jenson Button, dem es ähnlich ergangen war, bevor er sich in dieser Saison an die Formel-1-Spitze aufschwang. Webber: „Ich habe schwierige Zeiten mit unzuverlässigen Autos hinter mir. Dieses Jahr hatte ich das erste Mal eines, das mir eine echte Siegchance eröffnete.“

Am Sonntag nutzte er sie, und wer weiß: „Vielleicht wird er der nächste Nigel Mansell?“, wie Horner mutmaßte. „Der hat auch ewig auf seinen ersten Sieg warten müssen, und danach ist er erst richtig in Schwung gekommen.“ Der Brite wurde im hohen Rennfahreralter sogar noch Weltmeister.

Allerdings bescheren Webbers später Aufschwung und sein erster Grand-Prix-Sieg seinem Vorgesetzten auch ein kleines Problem. In der WM-Wertung haben die beiden Red-Bull-Fahrer zwar weiter Boden auf den Führenden Brawn-Piloten Jenson Button (68 Punkte) gut gemacht, allerdings liegt Webber (45,5) nun nur noch eineinhalb Zähler hinter Vettel (47). „Die beiden sind absolut auf Augenhöhe, es ist für mich die stärkste Fahrerpaarung im Feld“, sagte Horner. „Kleinigkeiten machen da den Unterschied aus – wie hier am Nürburgring Sebastians Fehler während seiner letzten Runde im Qualifying.“ Auch Vettel war klar, dass er nicht allein gegen Jenson Button um die WM kämpft: „Mark ist nicht erst seit Sonntag ein WM-Rivale.“

Im WM-Titelkampf hat eine solche interne Hackordnung auf Augenhöhe allerdings nicht immer unbedingt die größten Erfolge gezeitigt. Das letzte Beispiel für die Tücken einer fehlenden klaren Rangfolge hatten 2007 Fernando Alonso und Lewis Hamilton geliefert. Weil ihr Rennstall sich auf keinen Fahrer festlegen wollte, bekriegten sich die beiden McLaren-Piloten unbarmherzig bis zum letzten Saisonrennen und mussten den WM-Titel schließlich um einen Punkt dem Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen überlassen.

Horner ist sich dieses Problems bewusst: „Das Wichtigste ist nun, dass die Fahrer damit fair und wir als Team transparent damit umgehen.“ Zumindest Ersteres war am Nürburgring gegeben, als Vettel seinem Kollegen zu dessen Sieg artig gratulierte und sich die beiden danach respektvoll zunickten. „Wir kommen gut miteinander aus“, stellte Webber fest. „Die andere Frage muss irgendwann später vielleicht das Team entscheiden.“

Es ist die Frage, ob Horner bei allem Respekt und der eigentlich verbotenen Stallorder zum Trotz in den Kampf der Kollegen nicht maßvoll regulierend eingreifen sollte, um die Titelchancen eines Fahrers zu erhöhen.

Derzeit lehnt er dies jedoch strikt ab: „Es ist sehr, sehr eng zwischen den beiden, da können wir doch jetzt nicht alles auf Sebastian setzen.“ Erst einmal müsse man sich sowieso darauf konzentrieren, Jenson Button an der Spitze einzuholen.

Es werde möglicherweise eine Phase geben, in der ein Red-Bull-Fahrer keine Chancen mehr in der WM habe. „Bis dahin aber werden wir beide gleich unterstützen“, sagte Horner. „Es könnte sogar bis zum letzten Rennen gehen.“

Christian Hönicke[Nürburg]

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