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Sport: Rede nicht über Teamgeist

Im Gegensatz zu früheren Turnieren beeindruckt Englands Mannschaft mit individueller Klasse

Lissabon - In den USA ermittelt ein Wirtschaftsinstitut, mit welcher Häufigkeit in den Medien das Wort „Rezession“ auftaucht. Wird ein bestimmter Wert übertroffen, steht eine Krise ins Haus. Vielleicht könnte man den Geheimnissen des Fußballs mit Hilfe einer ähnlichen Methode ein wenig auf die Schliche kommen. Die Arbeitshypothese könnte zum Beispiel so lauten: Je seltener Spieler und Trainer von „Teamgeist“ und „toller Stimmung“ reden, desto stärker ist die Mannschaft.

Diese Theorie muss erst noch wissenschaftlich bestätigt werden, im weiß-roten Zeltlager vor dem Trainingsgelände der Engländer liegt zumindest der Verdacht sehr nahe, dass sie zutrifft. Vor großen Turnieren war bei ihnen gerne viel von der lustigen Atmosphäre und Löwenherz-Mentalität die Rede, diesmal aber muss man lange nach solchen Sätzen suchen; immerhin erwähnt David Beckham in einem Nebensatz, dass es schön sei „die ganze Familie“ zusammen zu haben. Auch für Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson und den Rest des Kaders ist das Ganze kein Thema. Vor dem EM-Auftakt heute gegen Frankreich hat man Wichtigeres zu besprechen, nämlich die eigene Qualität. „Wir haben Weltklassespieler und können die Europameisterschaft gewinnen, davon bin ich überzeugt“, sagt Beckham.

Bei Europameisterschaften haben die Engländer eine bemerkenswert schlechte Bilanz – der dritte Platz im Jahre 1968 war das höchste der Gefühle. Jetzt aber hat das Team, das bis auf Reals Beckham und Bayerns Owen Hargreaves komplett in der Premier League zu Hause ist, einen jungen Kader zusammen, der sich tatsächlich mit den Turnierfavoriten messen kann. Gegen Frankreich wird sich zeigen, ob man sie zum engen Kreis der Titelanwärter zählen darf. „Wir wollen gleich ein Ausrufezeichen setzen“, sagt Steven Gerrard vom FC Liverpool. Auch Chelseas Frank Lampard hat keine Angst vor den Franzosen: „Wir sind nicht schlechter, auf keinen Fall.“

Den wichtigsten Job hat heute Arsenals Sol Campbell zu erledigen: Er kümmert sich um seinen Londoner Teamkollegen Thierry Henry, den derzeit wohl besten Stürmer der Welt. In der Innenverteidigung könnte es nach dem Ausfall von John Terry vom FC Chelsea ein paar Probleme geben. Liverpools Jamie Carragher und Ledley King aus Tottenham, die potenziellen Vertreter, haben wenig Erfahrung auf internationalem Niveau. „Aber beide haben bewiesen, dass sie es können“, sagt Trainer Sven-Göran Eriksson. In der Theorie sieht die Sache gut aus. Allein die Franzosen können noch das Spiel verderben.

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