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REGELN  für anständige Fans: Gottes Doping

Auch die katholische Kirche Polens spielt bei der Europameisterschaft mit.

Jetzt, da Polen ausgeschieden ist und nicht mehr mitspielt, bekommt diese Aktion noch einmal eine besondere Bedeutung. Denn es geht auch um den Umgang mit einer Niederlage.

Die katholische Kirche Polens hat zur Europameisterschaft eine eigene Sportoffensive gestartet. Sie richtet sich an alle, die mit dem Sportgeschehen zu tun haben. Für die Fußballfans hat die katholische Kirche, der knapp 90 Prozent der polnischen Bevölkerung angehören, einen Verhaltenskodex erarbeitet. Mit dem Ziel, eine gewaltfreie, sportliche Auseinandersetzung bei der Europameisterschaft zu erreichen. Bislang haben sich nicht alle Fans an diese Regeln gehalten, das wurde gerade beim Spiel zwischen Polen und Russland deutlich.

Maciej Skorza gehört zur ersten Reihe der polnischen Trainergilde. Nicht zuletzt seinem sportlichen Können und seinem ruhigen Führungsstil hat der 15-malige polnische Pokalsieger Legia Warschau seine vielen Erfolge zu verdanken. Im Stadion bleibt der ehemalige Legia-Trainer fast immer gelassen, nur beim Wort Randale kommt sein Blut mächtig in Wallung. Beim Europa-League-Spiel gegen Hapoel Tel Aviv im September 2011 hielten die Legia-Fans ein Riesenbanner mit der Aufschrift „Jihad Legia“ hoch – da schämte er sich in Grund und Boden. Für die Europameisterschaft hofft Maciej Skorza auch nach dem Ausscheiden der polnischen Mannschaft, dass es zu keinen Ausfällen kommt. Nichts anderes wünsche er sich, als dass die polnischen Fans vernünftig bleiben.

Damit die EM ganz unabhängig vom Abschneiden der polnischen Nationalelf ein Erfolg wird, auch im Sinne der guten Fankultur, hatte das polnische Episkopat sich

einige Gedanken gemacht. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Polens Sportseelsorger Edward Plen feilte an den Details einer „Evangelisierungsoffensive im Stadion“, die sich aus mehreren Bausteinen zusammensetzt. Monatelang wurden Jugendliche im Religionsunterricht zu Themen wie „Fanrolle in sportlichen Auseinandersetzungen“ oder „Gottes Doping“ aufgeklärt, sagt der Angehörige des Salesianer-Ordens. Das Letztere sei übrigens erlaubt, erklärt Plen und bedeute nichts anderes, als in der Lage zu sein, zu klatschen, wenn ein Gegner ein Tor schießt.

Besonders eine Idee erfüllt Edward Plen mit Stolz, es handelt sich um einen Verhaltenskodex für den Fan, der nur vom Namen her eine gewisse Gemeinsamkeit mit den alttestamentarischen Regeln aufweist. In den „10 Fan-Geboten“ heißt es unter anderem: Vermeide verletzende Gesten, provoziere nicht mit Buhrufen, lass’ auch dich selbst nicht provozieren und habe keine Angst, dem Gegner zu gratulieren (siehe Kasten links).

Außerdem ist gerade eine Neuausgabe des Neuen Testaments erschienen, die auch Zeugnisse von gläubigen Sportlern enthält. Der Fußballprofi Maciej Skorza lobt die kirchliche Initiative und hofft, dass sie bei den Fans auf ein positives Echo stoßen wird. Denn Hass und Chauvinismus brauche niemand, sagt er.

Den polnischen Bischöfen ist bewusst, dass die Randalierer ihre „10 Fan-Gebote“ eher nicht beachten werden. Deshalb richten sie ihre Sportoffensive an alle einsichtigen Fans und betrachten sie vor allem als ein prophylaktisches Vorgehen, das das schlimmste Szenario abwenden soll. Eines steht aber fest: Die Kirche sieht im EM-Turnier ihre große Chance. Zum einen will sie ihrem Auftrag, das Evangelium zu verbreiten, nachkommen. Zum anderen ist sie bemüht, sich als wichtigen gesellschaftlichen Player ins Spiel zu bringen und dem Staat unter die Arme zu greifen. Marta Kupiec

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