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Sport: Reifen sind wie heißer Kaffee

Die Hintergründe des Streits in der Formel 1

Berlin - Als Ralf Schumachers Toyota am Freitag in die Begrenzungsmauer der Steilkurve von Indianapolis einschlug, warf sein zerstörtes Auto gleich mehrere Probleme auf. Zum einen ein körperliches für den Toyota-Piloten, das ihn zu einem Startverzicht beim Großen Preis der USA nötigte. Zum anderen ein theoretisches für die Formel 1, deren Verantwortliche sich fortan in eine Diskussion stürzten, die weniger von Sicherheitsbedenken als von politischen und wirtschaftlichen Gedankengängen geprägt war. Der betroffene Reifenhersteller Michelin verkündete, man werde die von ihm ausgerüsteten Teams nicht mit den ursprünglich für Indianapolis vorgesehenen Reifen starten lassen. „Wir können die Sicherheit nicht garantieren“, erklärte Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier. Trotz ausgiebiger Analysen habe man den Fehler nicht gefunden, der zum Unfall von Schumacher geführt hatte. Der Automobil-Weltverband (Fia) wollte es den Michelin-Teams aber nur unter einer „angemessen hohen Strafe“ erlauben, ein anderes Reifenmodell einsetzen zu dürfen. Das Reglement erlaubt dies nämlich eigentlich nicht.

Das strikte Vorgehen der Fia hat folgenden Grund: Man fürchtete einen Präzedenzfall. Ein Reifenhersteller könnte künftig eine weichere Mischung für das Qualifying einsetzen und dann eine ähnliche Situation provozieren, um das Modell vor dem Rennen tauschen zu dürfen. Somit nährte die Fia den unterschwelligen Vorwurf an Michelin, der Hersteller habe zu viel riskiert und im Konkurrenzkampf mit Bridgestone eine zu weiche Mischung für das Rennen auf dem Kurs mit der anspruchsvollen Steilkurve geliefert.

Dass der Reifenstreit überhaupt bis zu einem möglichen Startverzicht einiger Teams eskalierte, lag nicht so sehr an dem Unfall an sich. Noch auf dem Nürburgring vor drei Wochen hatte der Reifenschaden des McLaren-Piloten Kimi Räikkönen niemanden ernsthaft an eine Absage des Rennens in Kanada denken lassen. Die Aufregung liegt zum großen Teil im Ort des Geschehens begründet: den Vereinigten Staaten mit ihrer rigiden Gesetzgebung in Sachen Produkthaftung und Schadensersatz. Angesichts Millionenklagen wegen eines verschütteten Bechers heißen Kaffees gehen alle Beteiligten beim Rennen in Indianapolis mit einer großen Vorsicht zu Werke.

Michelin verweigerte seinen Teams deshalb den Start mit dem risikobehafteten Reifenmodell. Der französische Reifenhersteller fürchtet im Falle eines Unfalls hohe Regressforderungen – vor allem, wenn Zuschauer dabei zu Schaden kommen sollten. Vom Imageverlust einmal ganz zu schweigen. Der ist allerdings jetzt schon da – nicht unbedingt nur für Michelin, sondern für die ganze Formel 1.

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