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Sport: Rein, raus, rein

Der Werdegang des HSV-Torhüters Wächter

Von Karsten Doneck, dpa

Hamburg - Fehlerfrei hatte er seine Arbeit verrichtet, 78 Minuten lang ruhig und sachlich die Bälle abgewehrt. Die beiden Gegentore? Unhaltbar. Nach dem 1:2 zum Auftakt in der Champions League gegen Arsenal London meldete Stefan Wächter, zuvor nur Ersatztorhüter des Hamburger SV, Ansprüche an. „Ich denke, dass ich auch gegen Dortmund im Tor stehe“, verkündete er selbstbewusst. Abwegig war dieser Gedanke sicher nicht. Weil nämlich die Nummer 1 des HSV, Sascha Kirschstein, gegen Arsenal schon nach zwölf Minuten wegen einer zweifelhaften Notbremse die Rote Karte gesehen hatte und daraufhin für das nächste Champions-League-Spiel gesperrt wurde, braucht Wächter, der Ersatzmann, Spielpraxis. Heute (18.30 Uhr, live auf Premiere) hat der HSV seinen zweiten Auftritt im höchst dotierten Europapokal, bei ZSKA Moskau – mit Stefan Wächter zwischen den Pfosten.

Nur: In Dortmund in der Bundesliga, drei Tage nach Arsenal, stand wieder Kirschstein im HSV-Tor. Als Ersatzmann saß der unerfahrene Wolfgang Hesl, 20 Jahre jung, null Bundesligaeinsätze, auf der Bank. Wächter, 28 Jahre alt und 55 Bundesligaeinsätze, musste zu Hause bleiben. Trainer Thomas Doll hatte ihn kurzerhand aus dem Kader geworfen. Wächter hatte öffentlich gemault, als Doll nach dem Arsenal-Spiel Kirschstein sein Vertrauen aussprach. Wächter ließ daraufhin seiner Unzufriedenheit freien Lauf. „Ich stelle mir die Frage, ob der HSV überhaupt noch mit mir plant“, klagte er. Und dachte laut über seinen Abschied aus Hamburg nach: „Ich bin nach jetzigem Stand der Dinge froh, dass mein Vertrag im Sommer nächsten Jahres ausläuft.“

Starke Worte, die prompt mit der Suspendierung bestraft wurden. Wächter, gewöhnlich ein Stiller seiner Zunft, empfand seine kühne Ansage alsbald als zu kühn, er entschuldigte sich. „Der Fall ist damit erledigt“, erklärte HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer die Wiederherstellung des Friedens. Seine Torwarthierarchie behielt der HSV jedoch bei. Am vergangenen Samstag gegen Werder Bremen (1:1) hütete wieder Kirschstein das Tor. Auf der Bank saß erneut Hesl, eigentlich Tormann der zweiten HSV-Mannschaft in der Regionalliga. Das war freilich nur eine Vorsichtsmaßnahme. Wächter litt unter einer Prellung im Hüftbereich. Er wurde deshalb geschont – für Moskau. „Dort brauche ich ihn. Auf ihn ist immer Verlass“, sagt Doll. 28 Jahre musste Stefan Wächter alt werden, um zu erfahren, wie schmal im Profifußball der Grat ist zwischen Ausgestoßensein und Gebrauchtwerden.

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