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Not schweißt zusammen. Matthias Alexander Rath hat mit seinem Pferd Totilas seit 2010 vor allem Rückschläge erlebt.

© dpa/Anspach

Reit-EM in Aachen: Totilas und die Last des Ruhms

Holt das einstige Wunderpferd Totilas bei der Europameisterschaft in Aachen endlich den ersten großen internationalen Titel mit Reiter Matthias Rath?

Es ist nicht leicht, der Reiter des berühmtesten Dressurpferdes der Welt zu sein. Matthias Alexander Rath, ein freundlicher junger Mann aus Kronberg im Taunus, weiß das. „Es gab viel Kritik, die eine sachlich, die andere unsachlich“, sagt der 31-Jährige. Seit Ende 2010 sitzt er im Sattel von Totilas, dem schwarzen Schönling, den Paul Schockemöhle für circa zehn Millionen Euro aus den Niederlanden kaufte – nie zuvor war so viel Geld für ein Dressurpferd bezahlt worden. Doch zumindest wenn man in Titeln rechnet, hat sich das Geschäft nur bedingt gelohnt. Nachdem Totilas bei der WM 2010 mit Edward Gal noch alle Titel abgeräumt hatte, blieb eine Einzelmedaille mit Rath seither aus. Bei den Pferdesport-Europameisterschaften in Aachen, die am Dienstag eröffnet wurden, soll es nun endlich so weit sein. Es ist vermutlich die letzte Chance für das Paar, das eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat.

Rath war ein unbeschwerter 26-Jähriger, als er einwilligte, Totilas zu reiten. Seine Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff hatte die Sportrechte an dem Pferd erworben, erfahrenere Reiter hatten dankend abgewinkt. Sie ahnten wohl, dass man mit Totilas, dem Promoter Michael Mronz einst die Aura eines Hollywoodstars attestierte, leichter verlieren als gewinnen konnte. Und tatsächlich prasselte viel Kritik auf den jungen Reiter ein. Als Rath den Rappen nicht gleich so gut unter Kontrolle bekam wie Gal, bescheinigte man ihm unzureichende reiterliche Qualifikation.

Und als er 2012 zum niederländischen Erfolgstrainer Sjef Janssen wechselte, der Totilas schon als junges Pferd kannte, ging ein Aufschrei durch die deutsche Reiterei. Janssens Trainingsmethoden sind hierzulande verschrien, vor allem die Rollkur, bei der die Nase des Pferds tief auf die Brust gezogen wird. Sogar die Tierschutzorganisation Peta erhob Anklage gegen die Totilas-Besitzer wegen angeblich tierquälerischen Trainings. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ließ die Klage jedoch fallen, da sie keine Anzeichen von Tierquälerei feststellen konnte.

Totilas ist 15 Jahre alt - viel Zeit bleibt ihm nicht mehr

Rath ist trotz allem fröhlich geblieben. Er verteidigt Janssen („Man kann ihn nicht auf die Rollkur reduzieren“) und trainiert mit Totilas regelmäßig bei ihm in den Niederlanden. Vor der EM in Aachen hat er sich Mitte Juli durch zwei starke Auftritte in Hagen im Teutoburger Wald nach fast einjähriger Verletzungspause zurück in die deutsche Equipe gekämpft. „Vom Gefühl her war die Vorbereitung auf die EM sehr gut“, sagt er. „Ich muss Totilas nichts mehr Neues beibringen, es geht um Kleinigkeiten, die man erst im Viereck bemerkt.“

Eine goldene EM-Medaille wäre für Rath nach all der Kritik keine Genugtuung, „aber wunderschön“. Doch als großer Favorit gilt Totilas längst nicht mehr. Diese Rolle nehmen nun Valegro und die britische Olympiasiegerin Charlotte Dujardin ein. Selbst in der deutschen Equipe ist Totilas nicht die Nummer eins. Rath setzt seine Ziele entsprechend niedrig an. Das Wichtigste sei, dass das Pferd gesund bleibe, sagt er. Denn auch in dieser Hinsicht hat er viel erlebt. Totilas, der sich spektakulär, aber auch kraftraubend bewegt, war zuletzt dauerverletzt. 2014 trat er sich selbst vor ein Überbein und fiel fast ein Jahr aus. 2013 hatte er sich beim Deckeinsatz das Knie geprellt und ebenfalls lange pausiert. Vor der EM scheint nun alles in Ordnung zu sein. Totilas wird, wie Rath sagt, „vorsichtig, aber nicht übervorsichtig“ behandelt: „Wir packen ihn nicht in Watte.“

Während der ersten zwei Jahre in Deutschland wurde Totilas als Deckhengst eingesetzt, ein lukratives Nebengeschäft. Seit Anfang 2013 verzichtet man nun darauf. „Man schließt so ein Verletzungsrisiko aus. Es ist eine Sache weniger, bei der etwas passieren kann“, sagt Rath.

Außerdem bekommt der früher so umhegte Rappe inzwischen auch freien Auslauf. Die Angst der Besitzer vor dem Verletzungsrisiko scheint hier geringer geworden zu sein. „Paddock, Weide, alles ist erlaubt. Totilas hat sich gut im Griff“, sagt Rath. „So wie man bei den Turnieren dazugelernt hat, lernt man auch im sonstigen Umgang mit einem Pferd dazu. Wir sind über die Jahre zusammengewachsen.“ Inzwischen ist Totilas 15 Jahre alt, wie lange er noch im Sport bleiben soll, steht noch nicht fest. Einen Start bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio hält Rath nicht für ausgeschlossen: „Aber erst kommt die EM. Dann machen wir uns Gedanken über die Zukunft.“

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