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Sport: Rekorde werden fallen

Von Frank Bachner Berlin. Franziska van Almsick ist da.

Von Frank Bachner

Berlin. Franziska van Almsick ist da. Eigentlich ist das schon die entscheidende, die wichtigste Botschaft. Denn Franzi zieht allein schon mit ihrem n. Ob sie in ihrem neuesten Werbespot nun selber ihren nackten Po präsentiert oder ob ein Model hüllenfrei in einen Pool springt, diese Diskussion wäre eigentlich unnötig als PR-Masche für die Schwimm-Europameisterschaften. Franziska van Almsick also ist da, die Weltrekordlerin über 200 m, sie hat sogar zuletzt auf ihrer Spezialstrecke eine Weltklassezeit geliefert, sie ist also mehr als bloß eine reine Medienfigur. Sie ist auch eine Favoritin.

Pieter van den Hoogenband kommt auch, der Holländer, dreimaliger Olympiasieger von 2000, der zweitbeste Schwimmer auf der Welt hinter dem legendären Australier Ian Thorpe. Es kommen viele Top-Stars der europäischen Schwimm-Szene in die Landsberger Allee. Olympiasieger, Weltmeister, Europameister, es werden Weltrekorde fallen, Europarekorde sowieso, die Deutschen peilen allein im Schwimmen 24 Medaillen an, zehn werden wohl noch beim Kunst- und Turmspringen dazukommen. Insgesamt 1000 Teilnehmer aus 39 nationalen Verbänden sind gemeldet, in 19 Länder werden die Europameisterschaften übertragen.

Kurz gesagt: An beeindruckenden Zahlen und großen Worten fehlt es nicht bei diesen Meisterschaften. Der große Rahmen stimmt. Die Probleme beginnen bei den Feinheiten, unterhalb der glanzvollen Zahlen-Fassade. „Wir verkaufen Schwimmen schlecht“, sagt Harm Beyer, der Chef-Organisator der Europameisterschaft, früher mal Chef des Deutschen Schwimmverbands (DSV). „Wir haben zu viele festgefahrene Strukturen, das geht ganz oben los und hört erst ganz unten auf.“ Denn so spannend Schwimmen gemessen an Zeiten und einzelnen Duellen sein kann, so langweilig wird es meistens präsentiert. „Eine Eröffnungsfeier zum Beispiel“, sagt Beyer, „ist das Ödeste, was es gibt.“ Vor- oder Endläufe dauern insgesamt rund 90 Minuten, und das ist Beyer zu lange. „Was sehen Sie denn da? 15-mal schwimmen Athleten hin und her, und der in der Mitte gewinnt meistens. Mehr sehen Sie nicht. Und einen Nichtfachmann reißt das nicht vom Hocker. Ein Wettbewerb darf nicht länger als 60 Minuten dauern, und die Zeit vor und nach dieser Disziplin muss man zum Event machen.“ Und genau das versucht Beyer bei dieser EM.

Eröffnung mit Überraschungseffekt

Gut, das Fernsehen überträgt mit großem Einsatz. Das alles ist ja beeindruckend. Doch Beyer sagt: „Vielleicht sollten wir nicht 17 Kameras aufs Wasser richten, sondern nur zwei und den Rest woanders hin.“ Schwimmen soll mehr zur Show werden, die Unterhaltung außerhalb des Beckens soll – mindestens – genauso gut sein wie die Duelle im Wasser. Deshalb wird es eine besondere Eröffnungsfeier geben. „Eine mit Überraschungseffekt, kurz und stark“, sagt Beyer. Details verrät er nicht, dann wäre die Überraschung weg.

Aber andere Details sind ihm wichtig. Die erzählt er auch. Am Beckenrand, sagt er, wird zum Beispiel nur das notwendigste Personal stehen. Aktive, Kampfrichter, notfalls Leute vom Fernsehen, mehr nicht. Alles straffer, besser strukturiert. „Von dem, was wir an Verbesserungen für die Zuschauer bieten können, sind wir bei diesen Europameisterschaften am Anschlag“, sagt auch Jürgen Greve, der den Deutschen Schwimmverband mit seiner Agentur vermarktet und auch bei der EM eingespannt ist. „Aber an den 90-Minuten-Wettbewerben“, sagt Beyer, „kommen wir nicht vorbei.“

Anders gesagt: Das größte Hindernis für eine gute Präsentation des Schwimmens steht noch. Das liegt an der Masse von Disziplinen. „Und natürlich liegt das an Funktionären, Trainern und Sportlern, die an diesen Dingen nicht rühren wollen“, sagt Beyer. Greve hat da auch schon seine Erfahrungen. „Wenn man in den Verbänden solche Punkte anspricht, gilt man als Nestbeschmutzer. Die Leute können sich nicht vorstellen, dass es auch noch andere Wettkampfformen gibt.“Dann nennt er Biathlon und Skispringen. Sportarten, die zu Quotenknüllern wurden, und dann werden seine Augen fast schon wehmütig. Stattdessen wollten diverse Funktionäre noch mehr Wettbewerbe, „und das“, sagt Greve, „ist unsäglich“. Gut, bei dieser Europameisterschaft gibt es ein paar Änderungen, für die Zuschauer wird’s kurzweiliger, aber „das nützt ja nichts, wenn die nächste EM wieder im alten Muster abläuft“. Es ist ja schon mit dem bisherigen Konzept schwer genug, Geldgeber aufzutreiben. Die Agentur Comm’unity, die für den europäischen Schwimmverband LEN arbeitet, hat es versucht. „Sie hat keinen einzigen zusätzlichen Sponsor für die EM gefunden“, sagt Beyer. „Wir dachten, dass der Standort Deutschland besser zieht.“ Hat er nicht, „und das liegt nicht nur an der wirtschaftlichen Situation, sondern auch daran, wie wir Schwimmen präsentieren“, sagt Beyer.

Schwieriges Sponsoring

Und auch an den Preisen, welche die LEN verlangt. Die sind zu hoch, glaubt Marketing-Experte Greve. Ihn hatte die LEN ausgebremst. Er durfte eine gewisse Werbefläche vermarkten, mehr nicht. Greve fand unter seinen Vertragspartnern immerhin fünf Geldgeber. Dann bemerkte die LEN, dass ihre eigene Agentur erfolglos blieb, und kam hektisch zu Greve. Der sollte nun weitere Sponsoren akquirieren, aber die Offerte kam im Oktober 2001, und da konnte Greve nur müde lachen. „Jeder weiß, dass bei großen Unternehmen die Werbeetats fürs kommende Jahr im September verteilt werden.“ Also hat er das Angebot erst gar nicht angenommen.

Gestern verkündete LEN-Generalsekretär Sven Folvik pathetisch, als wäre das eine Siegesbotschaft: „Wir werden insgesamt 57 Goldmedaillen verteilen.“ 57. Macht 57 Einzel-Disziplinen bei dieser EM, Springen, Schwimmen, Synchronschwimmen. Beyer saß daneben. Er hat kurz die Augen verdreht.

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