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Relegation: Herthas Ende naht

Hertha BSC führt gegen Fortuna Düsseldorf das Bühnenstück zu einer tragischen Saison auf – der Schlussakt lässt sich nun nicht mehr aufschieben.

Nach der Vorstellung wollte sich der Nebel nicht legen. Im Gästeblock roch es nach Feuerwerk wie an Silvester, immer wieder erschütterte ein Knall das Olympiastadion. Die Düsseldorfer Fans feierten donnernd, die meisten Berliner Zuschauer dagegen waren stumm geflüchtet. Diejenigen, die blieben, beschimpften die Mannschaft, als sie Richtung Ostkurve kam und warfen mit Bierbechern. Hertha-Profi Änis Ben-Hatira beruhigte das Publikum. Dennoch gab es insgesamt 39 Festnahmen rund um das Spiel.

Hinter der Bühne, im Innern des Stadions, saß derweil Otto Rehhagel vor einem Mikrofon und antwortete auf die Frage, was ein Hertha-Abstieg für ihn persönlich bedeuten würde: „Nächste Woche Dienstag nach dem Spiel ist es für mich zu Ende, und dann fahr’ ich in den Urlaub.“

Dass dieses 1:2 im Relegationshinspiel auch den 73-Jährigen nicht gleichgültig zurückließ zeigte sich an der Art, wie er sein Wasser trank: Mit beiden Händen hob er vorsichtig das Glas, als ob er fürchtete, den Inhalt zitternd zu verschütten.

Dem aufgeführten Drama aus Aggression, Resignation und Verzweiflung konnte sich niemand entziehen, der dieses erste Endspiel um die Bundesliga-Zugehörigkeit verfolgt hatte. Fast wirkte es, als habe Hertha vor großem Publikum eine Nummernrevue der gesamten Saison aufgeführt: Ein mitreißender Beginn, um dann alles mit einem Medley aus Slapstick-Einlagen zu einem tragisch Ende zu bringen.

So lief das Relegations-Hinspiel gegen Fortuna Düsseldorf:

Als einziger Spieler fand Kapitän Lewan Kobiaschwili Worte. Die lauteten: „Es ist schwierig, Worte zu finden.“ Als er fündig wurde, waren es folgende: blöd, bitter, wie schon so oft. Blöd, wie sich drei Spieler vor dem Ausgleich der Düsseldorfer hatten ausspielen lassen. Und bitter, wie die Mannschaft wieder einen Ball ins eigene Tor lenkte – wie schon so oft. „Seit ich hier bin, schießen wir in jedem dritten Spiel ein Selbsttor“, klagte Rehhagel. Die Statistik war sogar geschönt. Das 1:2 war das vierte Eigentor der Saison und das dritte in den vergangenen acht Spielen. Dabei hatte die Mannschaft über 45 Minuten ansprechenden Fußball gezeigt.

Hertha brach nach guter erster Halbzeit ein

Hertha sei eine „spielstarke Mannschaft“, lobte Gästetrainer Norbert Meier, mit „sehr guten Fußballern in ihren Reihen“. Lange hatte man im Olympiastadion nicht mehr gesehen, dass mehr als drei Pässe in der gegnerischen Hälfte ankamen. Dennoch musste eine Standardsituation für das Führungstor herhalten. Zum ersten Mal fand eine Ecke von Änis Ben-Hatira einen Mitspieler, Roman Hubnik köpfte zum 1:0. Düsseldorf wurde durch kluges Attackieren zu einer Zweitligadurchschnittself degradiert, 45 Minuten hätte hier auch der MSV Duisburg oder VfL Bochum spielen können. Doch auch im Saisonmaßstab hatte Hertha eine gute erste Halbzeit gezeigt, um dann in der zweiten einzubrechen.

„Vor dem 1:1 sind wir passiv geworden und haben den Gegner nicht mehr so unter Druck gesetzt wie in der ersten Halbzeit“, sagte Kobiaschwili. Wieder war das Ensemble nach einem Rückschlag in hilflose Einzeldarsteller zerfallen.

Herthas Saison - Ein Rückblick in Bildern:

Hubnik bewarb sich für die Hauptrolle des tragischkomischen Helden: Nach seinem Tor ließ er sich wie Fabian Holland und Raffael vor dem Ausgleich ausspielen. Am Ende gewann jedoch Ramos das Casting für das Gesicht der Niederlage. Auch vergebende Torchancen waren wieder Teil der Vorstellung, nur ein Platzverweis fehlte diesmal.

Rehhagel jonglierte mit gewohnten Phrasen („Wir geben noch nicht auf“, „Es ist noch alles drin“). Und dem Verweis auf das gewohnte Programm in den kommenden Tagen (Abschotten, Enttäuschung überwinden, viele Gespräche). Manager Michael Preetz balancierte auf Offensichtlichkeiten („Wir müssen jetzt gewinnen“, „Die Chance ist da“).

Das Ende von Herthas Stück scheint vorhersehbar. Alles andere als der Abstieg käme als Auflösung etwas unglaubwürdig daher. Und vielleicht kommt es ja gerade deshalb anders. „Wir sind in der Rückrunde gerade auswärts immer wieder aufgestanden“, sagte Kobiaschwili. Denn auch das gehört zu Herthas Inszenierung: Alle erwarten das Ende, der Abstieg wurde schon so oft geprobt – und doch kam immer wieder noch ein Akt. Sicher ist nur eins: Ein Ende wird kommen, so oder so, am Dienstag, in Düsseldorf.

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