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Sport: Renaissance eines Altmeisters

Der VfL Gummersbach siegt in Flensburg und denkt an das Spiel des Jahres gegen Kiel vor 19 250 Fans

Flensburg - Gudjon Sigurdsson verstaute gerade seine riesige Sporttasche im Mannschaftsbus des VfL Gummersbach. Da kam Hans-Peter Krämer vorbei, um zu gratulieren. Beim Anblick der Sporttasche flachste der Aufsichtsratschef des Handball-Rekordmeisters: „Na, die Weihnachtsgeschenke sind schon gepackt?“ Da konterte der isländische Linksaußen des VfL, auf die Größe der Tasche hinweisend: „Da würden sich meine beiden Kinder aber freuen.“ Freude empfand die Gummersbacher Gemeinschaft schon gestern, als sich die Spieler mit ihren Frauen und Kindern im Vergnügungspark „Fantasialand“ bei Köln trafen. Ein angemessener Ort. Denn Träume vom Meistertitel wurden plötzlich durch das 34:32 (17:17) am Dienstagabend beim Vizemeister SG Flensburg-Handewitt geweckt. Dem vor Saisonbeginn ausgegebenen Ziel, Platz drei und damit die Champions League zu erreichen, ist man bei nun sechs Punkten Vorsprung zum Vierten Magdeburg schon ziemlich nahe. Und noch mehr: Mit nur vier Minuspunkten ist Gummersbach derzeit der erste Verfolger des THW Kiel.

Der Titelverteidiger hatte nahezu zeitgleich Sportgeschichte geschrieben. In eigener Halle stellte der THW einen Bundesliga-Torrekord auf, als er den SC Magdeburg mit 54:34 (24:19) besiegte. Dieses Resultat kam dem VfL gerade recht, denn am 27. Dezember fordert Gummersbach zum Abschluss der Hinrunde zu Hause die Kieler heraus – vor 19 250 Zuschauern in der seit Wochen ausverkauften Kölnarena. Ein Höhepunkt in der Renaissance des Altmeisters, der 2000 noch finanzschwach darniederlag – bis Krämer, Chef der Kölner Kreissparkasse, kam und gemeinsam mit dem Unternehmensberater Jochen Kienbaum den Klub sanierte.

Vielen Experten gilt zwar Kiel noch als Favorit auf den Titel. Aber die couragierte Art, wie der VfL in Flensburg nach dem 24:26 zurückgekommen war – mit dieser wilden Entschlossenheit, das vorhergehende 28:38-Debakel in Magdeburg umgehend beim heimstärksten Team der Liga zu reparieren –, das nötigte auch den Gastgebern allergrößten Respekt ab. „Der Gegner hat den kleinsten Fehler von uns eiskalt bestraft“, lobte Weltklasse- Linksaußen Lars Christiansen die Cleverness der Blau-Weißen in der Endphase.

Die zuvor fanatischen 6200 Zuschauer in der Campushalle verfolgten den Auftritt des Rekordmeisters zum Schluss mit ungläubigem Staunen. Sie waren nicht nur beeindruckt von den gewaltigen Sprungwürfen des Franzosen Daniel Narcisse aus dem Rückraum oder der Wucht des Koreaners Yoon, sondern auch vom exzellenten Kreisläuferspiel des Isländers Robert Gunnarsson. „Bei einem solch aggressiven Publikum macht das Gewinnen doppelt Spaß“, freute sich jedenfalls Krämer und lobte den Trainer: „Velko Kljaic hat ganze Arbeit geleistet.“

Kljaic gilt in der Szene als harter Trainer, den große Namen nicht interessieren. Nach der Pleite in Magdeburg aber war er ruhig geblieben und hatte das Team an der Ehre gepackt. „Ich habe gesagt, ich will mich nicht noch einmal schämen“, erzählte der 59-jährige Kroate. Den „unglaublichen Kampf in der Abwehr“ nahm Kljaic dabei ebenso mit Genugtuung zur Kenntnis wie die Steigerung der beiden Torhüter. Für den Isländer Sigurdsson, der die Torjägerliste der Liga anführt, war „die Kraft ausschlaggebend, der Gegner war nach den Champions-League-Spielen sehr müde“.

Schon vor der 600 Kilometer langen Rückfahrt ins Oberbergische beschäftigten sich Spieler und Funktionäre mit dem Spiel des Jahres gegen Kiel. „Morgen werden die Telefonleitungen zusammenbrechen“, sagte Krämer. Und die Spieler ließen sich vom Kieler 54:34 gegen Magdeburg kaum beeindrucken. Torhüter Ramota ist „fest davon überzeugt, dass wir Kiel schlagen“. Außerdem wollen sie noch lange fantasieren – von dem ersten Titel seit 1991.

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