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Sport: Rest der Welt greift an

Eine Bilanz der Basketball-WM 2006

Am Freitagabend entbrannte vor dem mittleren Rang der Saitama Super Arena ein Kulturkampf. Für die fernöstlichen Sitten stritten drei japanische Ordner, die vor einer Balustrade hockten und immer dann aufstanden und Handzeichen zum Hinsetzen gaben, wenn sich während des Halbfinalspiels wieder einige Zuschauer von ihren Sitzen erhoben hatten. Für die europäische Kultur machten sich rund 30 spanische Fans stark, die nach jedem der insgesamt 75 Punkte ihrer Mannschaft begeistert aufsprangen und jubelten. Die Duellanten trennten sich schließlich unentschieden: Einerseits ignorierten die spanischen Fans die ständigen Anweisungen, andererseits ließen sich die japanischen Ordner nicht von ihrem sinnlosen Treiben abhalten.

Kulturell gibt es offenbar noch Differenzen, sportlich aber ist die aktuelle Basketball-WM in Japan ihrem Motto „One World, One Title“ mehr als gerecht geworden. Mit dem heutigen Finale zwischen Spanien und Griechenland (12 Uhr 30, live im DSF) endet eine Weltmeisterschaft, die bestätigt hat, wie sehr sich im Basketball die Leistungen über alle fünf Kontinente angleichen. „Alle sind besser geworden“, sagte Dirk Nowitzki, der deutsche Star der nordamerikanischen Profiliga NBA, „die Afrikaner, die Asiaten, die Europäer.“ Afrika, das in Angola und Nigeria zwei Achtelfinalteams stellte, und vor allem Europa, das sechs Mannschaften unter die letzten acht brachte und das Finale unter sich ausmacht, dürfen sich als Gewinner fühlen.

Die USA, die nach einem 96:81 (50:49) gestern im Spiel um den dritten Platz gegen Argentinien am Ende Bronze holten, stellen zum dritten Mal in Folge den großen Verlierer. Sie haben sich sportlich nicht weiterentwickelt, sondern kämpfen seit vier Jahren darum, ihrem Ruf als Basketballnation Nummer eins gerecht zu werden. „Als wir mit unserem Programm angefangen haben, hatten wir großen Respekt vor der internationalen Basketballgemeinschaft. Wir wussten, dass die Lücke zu uns geschrumpft ist“, sagte der US-Teammanager Jerry Colangelo. Das 95:101 im Halbfinale gegen Griechenland hat das erneut bestätigt. Die USA zählten mit Argentinien zu den besten vier Teams. Doch die beiden Nationen, die als Mannschaft am meisten überzeugten, stehen im Finale.

Dass sie als Mannschaft auftreten müssen, wussten die Amerikaner allerdings schon vor der WM. Von Beginn an hat Colangelo darauf geachtet, nicht mehr wie bei den sechs Niederlagen bei der WM 2002 und den Olympischen Spielen 2004 eine lose Sammlung von Superstars aufzubieten. Trainer Mike Krzyzewski hatte drastische Motivationsmethoden angewandt. Er ließ zwei im Irakkrieg schwerverletzte US-Soldaten vor der Mannschaft auftreten, um Patriotismus zu schüren. Es half nichts. Nach der Niederlage gegen Griechenland musste Trainer Krzyzewski nicht nur die überlegenen Wurfqualitäten der Griechen eingestehen. Auch physisch waren die Griechen den Amerikanern mindestens ebenbürtig. Die USA waren auch ratlos gegen die spezielle Blocktaktik „Pick and Roll“, die Griechenland immer wieder erfolgreich anwendete. „Wir haben versucht, uns darauf einzustellen, aber sie haben immer wieder den gleichen Spielzug abgeschlossen“, kritisierte Centerspieler Chris Bosh. Krzyzewski lobte: „Die griechischen Trainer haben eine unglaubliche Arbeit geleistet.“ Nun ist der Rest der Welt auch taktisch ebenbürtig.

Die Globalisierung hat den Basketball schon länger erfasst. Wenn Antoine Rigaudeau das Verhältnis zwischen der NBA und europäischem Basketball beschreiben will, streckt er beide Hände aus und bewegt sie aufeinander zu. Der Abstand wird immer geringer, will der ehemalige französische Basketballstar und kurzzeitige NBA-Spieler damit ausdrücken. „Die NBA bewegt sich schneller auf Europa zu als andersrum“, sagt Rigaudeau. Das veranschaulicht auch der neue Kader der Toronto Raptors. Der zuletzt fünftschlechteste Klub der NBA versucht in der kommenden Saison mit europäischem Know-how Besserung zu erzielen. In Andrea Bargnani (Italien), Jorge Garbajosa (Spanien) und Uros Slokar (Slowenien) gesellen sich weitere Europäer zu Jose Calderon (Spanien) und Radoslav Nesterovic (Slowenien). Mit Anthony Parker holt der Klub zudem einen Amerikaner zurück, der die letzten fünf Jahre für Maccabi Tel Aviv gespielt hat.

Bereits seit der EM 2005 ist klar, dass die Anzahl der NBA-Spieler nichts über das Abschneiden aussagt. Die Griechen haben gegenwärtig keinen einzigen. „Wir haben zu viele“, sagen einige französischen Journalisten über ihr Team, das trotz fünf NBA-Spielern nicht überzeugt hat. Das US-Team orientiert sich daher inzwischen an den langfristigen Konzepten anderer Nationen. Die aktuelle US-Mannschaft ist durchschnittlich 24 Jahre alt und muss erst in Peking 2008 Gold gewinnen. „Das ist nicht das Ende der Welt für uns“, sagte der NBA-Star Carmelo Anthony. Es könnte vielmehr ein neuer Anfang sein.

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