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Sport: Revanche für Olympia

2004 bekamen die Dreikämpfer Gold aberkannt – in Aachen soll es besser laufen

Da sind sie also, zwei der Rächer: Hinrich Romeike und Frank Ostholt. Die, um deren Ehre es vor allem geht, will vor den Prüfungen nicht mehr reden. Aber Bettina Hoy hatte ihr Ziel ja schon vor den Weltreiterspielen in Aachen preisgegeben: „Die Weltmeisterschaft wird die sportliche Antwort auf Athen.“ 2004 hatte man ihr nämlich Doppelgold erst gegeben und dann wieder abgenommen: Sie hatte während einer Einreitrunde die Ziellinie zwar unabsichtlich, aber verbotenerweise überquert. Nach dem Wirrwarr um die Olympischen Medaillen kannten die Reiterin in Deutschland sogar Menschen, die zuvor nie etwas von ihrem Sport, Vielseitigkeitsreiten, gehört hatten. Diese Disziplin ist ein Dreikampf: Es gibt drei Prüfungen, nämlich Dressur, Springen und eine Hindernisstrecke im Gelände. Diese müssen mit demselben Pferd bewältigt werden. Dabei gilt bei WM wie bei Olympia jeder Ritt für die Einzel- und Mannschaftswertung.

Er fängt ganz gut an, der erste WM-Tag der deutschen Mannschaft: Hinrich Romeike und Frank Ostholt bringen ihr Team an die zweite Stelle, hinter Australien, an dritter Stelle folgen die USA. Dabei waren die Starter mit ihren Einzelergebnissen nicht so ganz zufrieden: Minus 46,9 Prozent für Ostholt, der vierte Platz in der Einzelwertung, und minus 52,4 Prozent für Romeike, damit ist er 14. Bei der Vielseitigkeit gewinnt, wer die wenigsten Strafprozentpunkte erhält. Diese Minuspunkte sammelt, wer Fehler in Lektionen, am Hindernis macht oder die erlaubte Zeit im Gelände überschreitet.

Es ist das erste Mal, dass in Aachen ein Vielseitigkeitswettbewerb stattfindet. Die Stadt ist im Reitsport für ihr mitfieberndes Publikum bekannt, und gerade das machte es vielen Reitern in der Dressur schwer: „Wir Vielseitigkeitsreiter kennen so viele Zuschauer nur von dem Turnier in Badminton, aber da traut sich ja keiner zu klatschen“, sagte Bundestrainer Hans Melzer, „ich habe heute noch kein Pferd entspannt in das Stadion gehen sehen.“ Das änderte sich allerdings, als Andreas Dibowsky, der nicht zur Mannschaft gehört, als Einzelstarter für Deutschland einritt. Souverän setzte er sich mit nur minus 40,90 Prozent an die Spitze. Die Pferde der Mannschaftsreiter waren da nicht so gelassen, Frank Ostholts Pferd namens Air Jordan schmiss einmal sogar das Hinterteil in die Luft. „Jojos Anspannung hat sich eben entladen“, sagte Ostholt. Seit Teamkollege Romeike hatte aber noch mehr Pech, erst kam eine Regenwand herunter, dann war sein Pferd wegen des Jubels verunsichert. Gegen solch erste Enttäuschungen hilft vielleicht die Karte, die Romeike aus der Brusttasche zieht: Die eine Seite zeigt ein Stoppschild – gegen schwächende Gedanken. Und die andere Seite „ist dafür da, wenn man sich einmal schwach fühlt“. Darauf ist eine Katze abgebildet, die in einen Spiegel schaut. Und das Spiegelbild zeigt einen Löwen. Die Karte hat er von der Sportpsychologin der Mannschaft. Sie begleitet das Team seit Monaten, was im Reitsport noch unüblich ist. Insgesamt ist der Bundestrainer aber zufrieden: „Da ist noch alles drin. Unsere besten Reiter kommen noch.“ Das sind Bettina Hoy und Ingrid Klimke, die am Freitag starten. Samstag geht es dann ins Gelände, und am Sonntag ist der Finaltag mit dem Springen.

In dieser Prüfung ist ein Nervenspiel zu erwarten. Denn im Springparcours begann die tragische Geschichte um das Olympiagold: Damals lag das deutsche Team mit Bettina Hoy, Ingrid Klimke, Hinrich Romeike und Frank Ostholt an erster Stelle, und Hoy war die beste Einzelreiterin. Doch dann legten die nächstplatzierten Länder Protest ein, weil Hoy hatte beim Springen die Ziellinie der Zeiterfassung zweimal überquert hatte. Letztlich mussten die Deutschen die Medaillen zurückgeben, packten sie in ein Paket an das Olympische Komitee IOC nach Lausanne, das IOC legte die Medaillen den Franzosen um den Hals.

Das deutsche Team geht sicher in die Prüfungen: „Unsere Stärke ist die Ausgeglichenheit in allen Disziplinen, und wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte Teamchef Hans Melzer. „Technik und Kondition sind verbessert, das ist besonders wichtig im Gelände.“ Die Strecke ist anspruchsvoll, hat Finessen und Tücken, die einen in Wohnungsnot bringen können", sagt Frank Ostholt. Genau das aber wollte Parcoursbauer Rüdiger Schwarz: „Ich muss überlegen, wie man die Reiter zu Fehlern verführt.“ Im Gelände seien die „Vielseitigkeitsnationen“, wie der Bundestrainer sie nennt, USA, Großbritannien, Schweden, Neuseeland, Australien und Frankreich eben besonders stark. So viele? Ja natürlich, "Vielseitigkeit ist ja nicht wie Dressur, in der nur zwei Nationen um Medaillen kämpfen!"

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