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Sport: Richtung München

Hertha will den Abstand auf Bayern verkürzen – die Berliner waren auf dem Weg schon mal weiter als heute

Berlin - Für 90 Minuten wird Hertha BSC dem FC Bayern zum Anfassen nah sein. Heute, in der Münchner Allianz-Arena, steht man sich auf dem Fußballfeld gegenüber. Nach zwei Unentschieden in der Vorsaison glauben die Berliner gar an die Chance, den Rekordmeister zu schlagen. Selbst wenn Hertha das tatsächlich schaffen und nach 28 Jahren wieder einmal in München gewinnen sollte, es würde lediglich den gefühlten Abstand für den Moment verringern.

Der letzte Heimsieg über die Bayern liegt nicht so lange zurück. Im Dezember 2001 hieß es in Berlin 2:1 für Hertha. Das war die Zeit, als Hertha durch zweistellige Millionen-Einnahmen aus der Champions League im Saft stand und sich großzügig und zum Teil geschickt auf dem Transfermarkt bediente. Fast vier Jahre sind vergangen, und im Grunde versucht Hertha immer noch, auf das einst erreichte Niveau zurückzukehren. Damals träumten sie in Berlin schon von Münchner Verhältnissen. Dieter Hoeneß, der Manager des Vereins, hatte das „Zielfernrohr“ auf den FC Bayern ausgerichtet, wie er damals sagte: „Du musst ja irgendwann anfangen, in diese Richtung zu denken.“

Hertha konnte unter seiner Führung in vielen Bereichen den Abstand verkürzen. Hertha wuchs auf fast allen Ebenen überproportional. Mittlerweile aber ist das hohe Anfangstempo verloren gegangen. Der Spielerkader hat sich nur bedingt weiterentwickelt. Von Stagnation sprechen daher die einen, Dieter Hoeneß gebraucht lieber das Wort Konsolidierung. Das klingt positiver.

In Zeiten wie diesen müssen Signale helfen. Ein solches sendete der Verein Anfang der Woche aus. So verlängerte der Aufsichtsrat den erst im Juni des kommenden Jahres auslaufenden Vertrag mit Hoeneß um weitere vier Jahre. „Wir wollen uns kontinuierlich weiterentwickeln, um sowohl sportlich, als auch wirtschaftlich zu einem Spitzenklub zu werden“, sagte Aufsichtsratschef Rupert Scholz.

Tatsächlich kann sich die Entwicklung von Hertha sehen lassen. Das Trainingsgelände wurde entwickelt, die Nachwuchsarbeit läuft vorbildlich, das Olympiastadion erstrahlt in neuem Glanz. Nur sind die Investitionen in den Spielerkader ausgeblieben. Mit 175 000 Euro, ausgegeben für Ellery Cairo vom Absteiger Freiburg, belegt Hertha in der diesjährigen Transfertabelle den letzten Platz. Das habe nichts zu bedeuten, argumentiert Hoeneß. Schließlich habe der Verein sich des guten, eigenen Nachwuchses bedient und sei nicht mehr darauf angewiesen, sich unbedingt „in der Breite“ zu verstärken. Er hätte aber auch sagen können, dass für prominente Neuzugänge kein Geld da ist. Das heißt: Es ist nicht mehr da. Mehr als 50 Millionen Euro hat der Verein seit dem Aufstieg 1997 in Transfers gesteckt. Besonders teure Spieler, wie die brasilianischen Stürmer Alex Alves und Luizao, entpuppten sich als Flop. Daran hat der Klub noch heute zu knabbern. Ein Nachfolger für Torjäger Michael Preetz aber wurde bisher nicht gefunden. Vor einem halben Jahr besaß die Verpflichtung eines neuen Mittelstürmers für Hoeneß „absolute Priorität“. Kommenden Mittwoch endet die Transferperiode, und es steht zu befürchten, dass Hertha nicht mehr tätig wird. Die Verpflichtung von Roque Santa Cruz vom FC Bayern ist erst für die Spielzeit nach der Weltmeisterschaft realistisch. Santa Cruz ist dann ablösefrei zu haben.

Hertha steckt in wirtschaftlichen Zwängen. Während die Bayern einen dreimal so hohen Umsatz haben wie Hertha und ihr Festgeldkonto 128 Millionen Euro schwer ist, belaufen sich die Schulden der Berliner auf 18 Millionen Euro. Hinzu kommen rund 10 Millionen sonstiger Verbindlichkeiten und 6 Millionen aus einer Bankanleihe. Hertha schloss die vergangenen drei Geschäftsjahre jeweils mit einem Minus von rund 5 Millionen Euro ab. Abhilfe kann nur die Champions League schaffen. Nur in diesem Wettbewerb lässt sich Geld verdienen. Zwar rühmt man sich, seit 2000 fünfmal den Uefa-Cup erreicht zu haben, aber rauschende Europapokalnächte lassen sich mit dem Namen Hertha nicht verbinden. Hertha verabschiedete sich in aller Regelmäßigkeit aus dem Wettbewerb, bevor es Renommee und Geld zu verdienen gab. Zuletzt scheiterten die Berliner in der Saison 2003/04 in der ersten Runde gegen den polnischen Vertreter Groclin Grodiszk.

Dass immer noch kein Stürmer von Format geholt werden konnte, verkauft Hoeneß mittlerweile als bewusstes Handeln. „Wir sagen lieber fünfmal nein, als einmal halbherzig ja“, erzählt Hoeneß. Gelegentlich führt der Manager an, dass er den Glauben an die Stärke der vorhandenen Stürmer wieder entdeckt hat. Hoeneß steckt selbst in Zwängen. Der nächste Stürmer, den der Manager holt, muss ein Volltreffer sein. Aufsichtsratchef Scholz hat die Vertragsverlängerung mit einem Ziel versehen: „Wir sollten uns in dieser, spätestens aber in der kommenden Saison national unter den ersten drei etablieren“. Und irgendwann, so führte Hoeneß aus, „wird es nur eine logische Konsequenz sein, dass wir mal einen Titel holen“.

Der Weg führt nur über die Bayern. Wie sagte Falko Götz vor dem Spiel heute gegen die Münchner: „Wir gehen dahin und wollen uns messen. Sie haben zwar den stärksten Kader und viel zum Nachlegen auf der Bank, aber eine gute Elf kriegen wir auch hin.“

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