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Sport: Risikofaktor Mensch

Ein Verbot der Traktionskontrollen verringert die Sicherheit der Formel-1-Fahrer. 1994 ging der Weltverband das Risiko schon mal ein

Von Frank Bachner

und Christian Hönicke

Berlin. Silke Albus betont diesen einen Satz, er ist ja schließlich wichtig. „Diese Reformen können nur vorgenommen werden, wenn die Sicherheit der Fahrer gewährleistet ist“, sagt die Pressesprecherin des Formel-1-Teams von Toyota. Ein schöner Satz. Einer, der den Nerv trifft. Denn die Reformen der Formel 1, die teilweise schon 2003 greifen, haben einen heiklen Punkt: Sie beeinträchtigen die Sicherheit der Branche.

Das betrifft vor allem das Verbot der Traktionskontrollen. Diese Kontrollen verhindern, dass die Räder in den Kurven durchdrehen und das Auto ausbricht. Doch ab sofort ist diese Computerhilfe verboten, jetzt müssen die Fahrer wieder mit Feingefühl in die Kurven rasen. Und weil Formel-1-Piloten ihre Boliden in den absoluten Grenzbereich jagen, können geringste menschliche Fehler katastrophale Folgen haben. Sind die Fahrer nur minimal zu schnell, drehen die Reifen durch, das Fahrzeug bricht aus und schleudert unkontrolliert durch die Gegend.

Vor allem jüngere, wenig erfahrene Piloten werden nun zum Sicherheitsrisiko. „Die Gefahr, dass ein jüngerer Fahrer die Kontrolle über das Auto verliert, ist jetzt viel größer“, sagt ein ehemaliger Formel-1-Ingenieur. Es wurden am Mittwoch ja gleich mehrere elektronische Hilfen verboten, ein Pilot kann sich jetzt nicht mehr nur auf die Ideallinie konzentrieren, „er muss viel mehr Dinge selber erledigen, dadurch ist er abgelenkter“, sagt der Ingenieur. Und Zeit zum Reagieren bleibt so gut wie nicht. „Das Ausbrechen des Autos kündigt sich ja nicht an“, sagt der Ingenieur, „das passiert ja alles in Sekundenbruchteilen.“

Das Verbot der Traktionskontrollen ist nicht neu. Schon zur Saison 1994 wurde es eingeführt, um die langweilige Dominanz des Williams-Teams zu beenden. Dessen Autos hatten die hochwertigste Elektronik an Bord, Pilot Damon Hill musste quasi nur noch Gas geben und fuhr dank der Computersteuerung unzählige völlig identische Rundenzeiten. Doch als Williams auch durch das Traktionskontrollen-Verbot gebremst werden sollte – so wie jetzt Ferrari –, sagte der damalige Ferrari-Star Ayrton Senna: „Das wird ein gefährliches Jahr.“ Weil der Faktor Mensch und dessen Fehlerquote wieder eine größere Rolle spielen würde. Es gab dann in der Saison 1994 gleich zwei tödliche Unfälle. Senna starb ebenso wie der Österreicher Roland Ratzenberger in Imola. Beide Todesfälle haben nicht direkt etwas mit dem Verbot der Traktionskontrolle zu tun: Bei Senna brach vermutlich die Lenksäule, Ratzenberger hatte einen Frontflügel verloren. Computerhilfe allein kann tödliche Zwischenfälle also nicht verhindern. Doch ohne elektronische Korrekturen ist das Risiko noch viel größer. 1994 wurde auch das Nachtanken eingeführt. Prompt ging der Benetton des Niederländers Jos Verstappen in Hockenheim in Flammen auf, weil sich beim Tanken Benzin entzündet hatte. Benetton hatte heimlich einen Filter, der die Füllmenge begrenzte, ausgebaut. Verstappen kam unverletzt davon.

2001 dann wurden die Traktionskontrollen wieder erlaubt. Bis zur Rolle rückwärts am Mittwoch.

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