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Sport: Römisches Recht

Nach dem 4:0 über Juventus vergisst der AS Rom die Finanzprobleme und träumt vom Titel

Rom. Eigentlich war er schon dahin, der große Traum vom vierten Titel. Nach einer formidablen Hinrunde und der Tabellenführung verlor der AS Rom zu Jahresbeginn zuhause in der Serie A gegen den AC Mailand, vergangene Woche folgte eine bittere Niederlage gegen Brescia. Die Mannschaft von Trainer Fabio Capello war plötzlich nur noch Tabellenzweiter, Milan wirkte schon außer Reichweite, und in Rom machte man sich auf Schlimmeres gefasst. Doch wie es scheint, können 90 Minuten an einem kühlen Winterabend die Perspektive einer ganzen Stadt verändern. Genauer: ein 4:0-Sieg vor 76 000 Zuschauern im Stadio Olimpico gegen den Tabellendritten und Erzrivalen aus dem Norden, Juventus Turin.

Nach der „Totti-Cassano-Show“ vom Sonntagabend, wie die Zeitung „Gazzetta dello Sport“ titelte, ist der AS Rom zwar als einziger ernst zu nehmender Verfolger des AC Mailand übrig geblieben, hat aber immer noch fünf Punkte Abstand. Franco Sensi, Präsident des AS Rom, sprach stellvertretend für die ganze Stadt: „Wir haben gewonnen – und wir haben 4:0 gewonnen. Mehr muss man nicht sagen. Jetzt denken wir an die wichtigeren Dinge. Wir sind voll auf Titelkurs.“

Der höchste Roma-Sieg gegen Juventus seit mehr als 70 Jahren hat also die Fantasien der Römer beflügelt, auch was die Ambitionen auf die Meisterschaft angeht. Aber dennoch scheint es, als habe Sensi bei aller Euphorie die Kehrseite der Realität in Rom nicht vergessen. Denn mit dem Hinweis auf die „wichtigeren Dinge“  meint der Bauunternehmer nicht etwa den kurzfristigen sportlichen Erfolg, sondern die höchst schwierige Kassenlage der Römer.

Wie der italienische Fußball insgesamt, leidet auch der AS Rom an einer katastrophalen Finanzierung. Drei Monatsgehälter für die Spieler aus dem vergangenen Jahr stehen noch aus. Der Präsident, seit 1993 im Amt, investiert jährlich angeblich 50 Millionen Euro in den Verein. Dabei macht der AS Rom monatlich 10 Millionen Euro Verlust. Insgesamt, so heißt es, habe der Verein mehr als 230 Millionen Euro Schulden. Da liegt es nahe, dass über den Verkauf von Spielern geredet und geschrieben wird. Francesco Totti zum Beispiel wird seit Wochen von Real Madrid umworben.

Am Sonntag war der derzeit beste italienische Fußballer maßgeblich am Triumph über Turin beteiligt. Olivier Dacourt hatte schon nach einer knappen Viertelstunde das 1:0 erzielt, als Totti wenige Minuten später die schönste Aktion des Spiels gelang. Einen weiten Abwurf von Torwart Pelizzoli flankte der Brasilianer Lima weit auf Totti, der den Ball mit der Brust annahm und von der Strafraumecke volley auf Buffons Tor schoss. Der Ball prallte zwar gegen die Latte, wirkte aber wie ein Signal für das folgende Spektakel. Höchstpersönlich verwandelte der Kapitän einen Elfmeter. Schließlich folgten die Minuten des 21-jährigen Andrea Cassano, dem in der ersten Hälfte der Ball noch häufig vom Fuß gesprungen war.

Mit zwei Toren, vor allem mit seinem wunderbar platzierten Kopfball zum 4:0, avancierte Cassano zum wichtigsten Mann des Spiels – neben Francesco Totti. Pavel Nedved und den übrigen Spielern von Juventus hingegen gelang überhaupt nichts. Als es schon 3:0 stand, verschoss David Trezeguet einen Elfmeter, zudem wurde Montero mit Gelb-Rot vom Platz gestellt. Folgerichtig fühlte sich für Antonio Conte, der den verletzten Alessandro del Piero als Kapitän vertrat, die Partie an wie „eine Ohrfeige, die sehr, sehr weh tut“. AS Roms Trainer Fabio Capello sagte dagegen: „Ich hatte meiner Mannschaft vor dem Spiel gesagt, dass es ums Leben ging. Die Spieler haben exzellent reagiert.“ Und Francesco Totti war sich trotz aller Ungewissheit sicher: „Das war der schönste Sonntag der Saison.“

Julius Müller-Meiningen

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