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Sport: Rollensuche im harten Alltag

Der Wandel des Schwimmers Biedermann

Berlin - Eigentlich ging ja alles schief. Die Wenden? „Katastrophal.“ Das Gefühl fürs Wasser? „Nicht da.“ Eigentlich, sagt Paul Biedermann, „war alles ziemlich merkwürdig“. Zum Beispiel, dass er trotzdem Deutscher Meister im Schwimmen über 400 Meter Freistil wurde und gestern in Berlin mit 3:47,69 Minuten die Olympianorm unterbot. Auch Christian Kubusch (Magdeburg/3:47,96) schaffte den Sprung nach Peking. Andererseits: Der Titel zeigt ja auch, wie gut Biedermann in Form ist. Schon bei der EM in Eindhoven hatte der 22-Jährige Gold über 200 Meter Freistil gewonnen.

Er ist jetzt jemand. Das neue Gesicht des deutschen Schwimmens, so wird er verkauft. Aber das neue Gesicht waren schon viele. Sie verschwanden bloß schnell wieder in der Unauffälligkeit. Biedermann reagiert etwas allergisch auf diese neue Rolle. Nach der EM, sagt er 22-Jährige, „bin ich schnell ins Trainingslager abgereist, da hatte ich keine Zeit abzuheben“. Er will es auch gar nicht mehr.

Denn es gab Zeiten, da sah sich Paul Biedermann aus Halle an der Saale schon als das neue Gesicht des Schwimmens.

Da war er 18 Jahre alt und sammelte drei Goldmedaillen bei der Jugend-EM. Damals verbesserte er sich in einem Jahr über 200 Meter Freistil um sechs Sekunden. „Das hat ihn etwas überrollt“, sagt Frank Embacher, sein Trainer. Biedermann ging davon aus, dass er sich weiter in solchen Quantensprüngen verbessern würde.

Und damals, sagt Biedermann, „bin schon ich schon etwas abgehoben“. Doch die Fortschritte bewegten sich jetzt in Zehntelsekunden-Schritten, das Talent war im harten Alltag angekommen. Zwei Jahre lang entwickelte sich Biedermann nicht groß weiter, er gab das schlampige Talent mit den großen Ansprüchen. „Er lebte in den Tag hinein“, sagt Embacher. „Ich brauchte immer wieder einen Tritt in den Hintern“, sagt Biedermann.

Vor der Saison 2007 standen sie alle vor der Frage: Wie geht’s weiter? Embacher und der neue Cheftrainer Örjan Madsen zeigten ihm die Alternativen auf: internationales Mittelmaß oder Sprung an die Weltspitze, aber nur mit harter Arbeit. Biedermann sagte: „Ich will nach vorne.“ Das Leben des professionell arbeitenden Paul Biedermann hatte begonnen.

Aber es mangelt ihm auch jetzt nicht an Selbstbewusstsein, so viel ist klar. Biedermann lag gestern 300 Meter lang zurück. „Aber ich habe gewusst“, sagte er nach dem Rennen lässig, „dass ich Christian noch kriegen würde.“ Frank Bachner

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