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Roque Santa Cruz

© dpa

Roque Santa Cruz: Wie ein neuer Mensch

Nach acht frustrierenden Jahren in München erlebt Roque Santa Cruz in Blackburn seinen Durchbruch. "Ich habe hier erstmals das Gefühl, gebraucht zu werden", sagt der Paraguayer, dessen Blockade sich in England gelöst zu haben scheint.

Es regnet mal wieder. In England ist das eigentlich nichts Besonderes. Und dennoch verlässt kein Spieler der Blackburn Rovers das Trainingsgelände, ohne über das Wetter zu schimpfen. Nur Roque Santa Cruz kommt kein böses Wort über die Lippen. „Ist doch super. Ich trainiere viel lieber im strömenden Regen als im Schnee, wie manchmal in München. Das habe ich gehasst“, sagt er und zieht die Bandage mit den Eisbeuteln fester um sein rechtes Sprunggelenk. „Nichts Schlimmes, nur eine leichte Prellung.“ Er ist beim nächsten Match dabei. Genau das wollte die Dame von der Geschäftsstelle des englischen Premier-League-Klubs hören. Sie strahlt, weil sie den Roque doch „so sehr mag“. Er sei so ein lieber Kerl, und gut sieht er auch noch aus. Einfach ein Klassetyp. Solche Komplimente bekam der Südamerikaner auch bei Bayern München häufig zu hören. Und doch ist in Blackburn alles anders – hier darf man ihm nämlich auch für seine Leistung auf dem Fußballplatz berechtigte Komplimente machen. Mit entspannter Miene sagt Santa Cruz: „Ich habe hier erstmals das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich habe das volle Vertrauen des Trainers. In München war das ganz anders. Da habe ich nie eine echte Chance bekommen.“

Santa Cruz war der Wunschspieler von Blackburns Trainer Mark Hughes. Er hat den Transfer für rund fünf Millionen Euro im Sommer vergangenen Jahres zuwege gebracht. „Roque ist ein absoluter Volltreffer“, sagt Hughes über seinen besten Scorer. „Roque zeigt hier, was wirklich in ihm steckt. Er spielt intelligent, ist ein Mannschaftsspieler und übernimmt zudem Führungsaufgaben. Er gehört zu den besten Stürmern der Liga.“ Im Dezember wurde Santa Cruz zum besten Premier-League-Spieler des Monats gewählt. Elf Tore und fünf Vorlagen hat der Paraguayer in dieser Saison schon auf dem Konto – bei Bayern brachte er es in acht Jahren gerade mal auf 32 Tore.

Die Blockade, die das Ausnahmetalent in München hemmte, scheint endgültig gelöst. „Ich bin hier ein ganz anderer Mensch“, sagt Santa Cruz. Einer, der nicht mehr den Riesendruck verspürt, die Rolle des Überfliegers ausfüllen zu müssen, in die er von Uli Hoeneß gedrängt wurde. Der Bayern-Manager hatte den schüchternen Santa Cruz im Alter von 17 Jahren für fünf Millionen Dollar aus Asunción geholt und damals verkündet: „Er ist in fünf Jahren wahrscheinlich der Beste, den wir weltweit haben.“

Wie sehr der 26-Jährige in England an Selbstbewusstsein gewonnen hat, lässt sich an seinen ungewohnt forschen Aussagen bemessen. „Ich bin hier der Star“, sagt er. „Und den nimmt man nicht einfach raus. Auch nach ein paar schlechten Spielen nicht.“ Die gab es bisher aber auch nicht. „Er hat sich unheimlich schnell an das schnellere und härtere Spiel in England gewöhnt. Das zeigt einmal mehr, welche Klasse er hat“, sagt Hughes.

Santa Cruz selbst fühlt sich reifer und härter als je zuvor. Nichts erinnert in Blackburn mehr an den zaudernden und verletzungsanfälligen Bundesliga-Profi. „Ich arbeite hier viel mehr nach hinten und setze meinen Körper ein“, sagt er selbst. Einfacher und effektiver spielt er zudem, weil er rasch registriert hat, dass man in England allein mit Schönspielerei nicht weit kommt. Schon gar nicht in einer Arbeiterstadt wie Blackburn, wo es nicht nur bei Regen trist und trostlos ist. „Und wenn es einmal zwickt, beiße ich schon mal auf die Zähne, weil ich weiß, dass die Mannschaft mich braucht und die Fans mich sehen wollen.“

Kein anderer Spieler der Rovers verkörpert derzeit besser das Vereinsmotto als der ehemalige Bayern-Profi. „Arte et labore“, also „Kunst und Arbeit“ will der Klub laut Satzung den Anhängern bieten. Kein Wunder, dass sich Santa Cruz in dem Traditionsverein in der Region Lancashire so wohlfühlt. „Hier kann ich mich voll aufs Fußballspielen konzentrieren. Es gibt keinen nervenden Presserummel beim Training, man kann einfach arbeiten, einfach spielen. Und die Trainingsmöglichkeiten sind sogar noch besser als bei den Bayern“, sagt er und zeigt aus dem Fenster auf das großzügige Gelände der Rovers. Nicht mal das nur rund 31 000 Zuschauer fassende Stadion sieht Santa Cruz als Minuspunkt. „Das ist zwar kleiner, aber die Atmosphäre ist viel besser als in der Allianz-Arena. Das alles bestätigt mich in meiner Entscheidung, München und den FC Bayern verlassen zu haben.“

Und so will Santa Cruz auf die Frage, ob er etwas vermisse, so recht nichts einfallen. Nach einer längeren Gedankenpause sagt er schließlich: „Die wahnsinnigen Abende mit Claudio Pizarro, Owen Hargreaves und Roy Makaay vor den Spielen im Hotel – da haben wir extrem viel gelacht und Spaß gehabt. Daran erinnere ich mich gern.“ Ansonsten will er die oft frustrierenden acht Jahre in München möglichst schnell hinter sich lassen.

Jetzt zählt nur England, hier hat er alles, hier hat er sein Glück gefunden. Mit Frau Giselle, Tochter Fiorella und Sohn Tobias wohnt er in einem geräumigen Haus in Manchester. Und sogar der beste Kumpel ist nicht weit. „Owen Hargreaves lebt bei mir in der Nachbarschaft. Wir sind oft zusammen.“ Und angesichts der Leistungsexplosion von Santa Cruz vielleicht bald auch wieder im gleichen Trikot? Dass Topklubs wie Manchester United, wo Hargreaves spielt, auf ihn aufmerksam werden, ist Santa Cruz bewusst. „Natürlich möchte ich irgendwann wieder Champions League spielen. Das bleibt ein Traum. Aber ich bin doch nach Blackburn gegangen, um nicht wieder so unter Druck zu stehen. Und um zu spielen. Das zählt erst mal“, sagt er und ergänzt optimistisch: „Vielleicht schaffen wir es ja in den Uefa-Cup. Das wäre die Krönung.“

Jörg R, e[Blackburn]

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