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Sport: Routine mit Anspruch

Die Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch will bei der Leichtathletik-EM das deutsche Team mitreißen

Berlin – Kurz vor der Leichtathletik-Europameisterschaft in Göteborg hat Franka Dietzsch wohl noch einmal an die vergangene Weltmeisterschaft gedacht. Es muss ihr dabei aufgefallen sein, dass sie die einzige Weltmeisterin ist, die es zurzeit in der deutschen Leichtathletik gibt. Offenbar aus Verantwortungsgefühl hat sie sich daher schnell zur Athletensprecherin qua Titel erklärt und einige grundsätzliche Dinge zur Lage der deutschen Leichtathletik geäußert. Über die meisten davon dürften sich die Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes nicht gefreut haben.

Es ging der Diskuswerferin im Wesentlichen um das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Mannschaft. Die deutschen Leichtathleten stehen in Göteborg schließlich wieder unter Druck. Nach einer langen Talfahrt deuten sich die Zeichen des Aufschwungs nur sehr zart an, und ohne die Weltmeisterin Franka Dietzsch würde es noch trauriger aussehen. „Es muss sich doch mal einer vorne hinstellen, der die Leute mitreißt“, sagte Dietzsch. Dem leitenden Bundestrainer Jürgen Mallow traut sie das nicht zu, auch wenn sie das in ein Kompliment verpackt: „Er ist sicherlich kein Selbstdarsteller.“

Beim Ruf nach dem großen Motivator hat Franka Dietzsch nicht nur an sich gedacht. Sie ist inzwischen 38 Jahre alt und weiß, auf was es in einem Wettbewerb ankommt. „Ich denke, es ist gerade für die jungen Leute wichtig, dass sie überhaupt erst einmal wissen, mit wem sie es zu tun haben.“ Schon vor dem Europacup in Malaga hätte sich Dietzsch eine Vorstellungsrunde gewünscht, damit vor allem die jungen Athleten mitbekommen, wer alles zur Mannschaft zählt, welche Sportler, Ärzte und Physiotherapeuten. Im fast 80 Athleten umfassenden Aufgebot des Verbandes für Göteborg kennt Dietzsch viele Athleten noch gar nicht. Das liegt vor allem daran, dass der Verband viele junge Athleten mitnimmt, auch einige, die bislang nicht durch die allergrößten Leistungen auf sich aufmerksam gemacht haben. Dietzsch kann verstehen, dass der Verband Talente aufbauen will für die Olympischen Spiele 2008 in Peking und die Weltmeisterschaft 2009 in Berlin. Auf der anderen Seite sagt die Neubrandenburgerin: „Erst werden Normen aufgestellt, die man zwei Mal erfüllen muss, und dann nimmt der Verband trotzdem so viele mit, die das nicht geschafft haben.“

Franka Dietzsch ist nicht auf laute Auseinandersetzungen aus, aber vielleicht ärgert es sie noch immer ein bisschen, dass der Verband sie vor der letzten WM 2005 in Helsinki nicht einmal mehr im höchsten Leistungskader führte. Dann gewann sie den Titel und gehört nun trotz ihrer 38 Jahre zum „Perspektivkader“ für Peking. Derzeit führt sie die Weltjahresbestenliste an und ist daher auch die Favoritin auf den Europameistertitel in Göteborg, der im Diskuswerfen am Donnerstag vergeben wird. Die Dopingdiskussion ist auch an ihrer Disziplin nicht spurlos vorübergegangen. Dietzsch hat eine harte Konkurrentin verloren: die Olympiasiegerin Natalia Sadowa aus Russland wurde kürzlich in Hengelo positiv getestet. „Geahnt hatte man das schon länger“, sagte Dietzsch. An ein leichtes Spiel ohne Sadowa glaubt sie aber nicht in Göteborg. „Wenn es Bronze wird, wäre ich auch zufrieden.“ Das spricht gegen die Gesetzmäßigkeit, die sich bei ihr in den vergangenen Jahren herausgebildet hat: „Entweder ich hole Gold oder gar nix.“ 1998 wurde sie jedenfalls Europameisterin, 1999 und 2005 Weltmeisterin. Dazwischen schied sie bei internationalen Meisterschaften teilweise schon in der Qualifikation aus. Sie zeigte sich dabei von einer besonders sensiblen Seite, auch wenn man ihr die auf den ersten Blick nicht ansieht.

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