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Ruder-WM: Sehnsucht nach Herrlichkeit

Das Boot muss einen Mythos wiederbeleben: Der Doppel-Vierer der Frauen steht bei der WM unter Druck.

Nach dem Vorlauf haben sie alle zusammen erst mal Fondue gegessen. Es ging weniger ums Essen, es ging um den Teamgeist. „Ich wollte verhindern, dass sich jede in ihrem Zimmer verkriecht“, sagt Angelika Noack, die Trainerin, als sie auf einer kleinen Mauer sitzt, direkt vor einem der Beton-Stege. Im Vorlauf der Ruder-WM in Posen ist der Doppel-Vierer der Frauen offiziell als Mannschaftsboot gefahren, aber gezogen haben Christiane Huth, Stephanie Schiller, Peggy Waleska und Annekatrin Thiele so unsynchron, als wäre jede im Einer unterwegs. Als Dritte mussten sie schmachvoll in den Hoffnungslauf. „Wir wollten uns wohl zu sehr bestätigen“, sagt Waleska. „Wir wissen, welcher Erwartungsdruck auf uns lastet.“

Sie müssen einen Mythos wiederbeleben. Der deutsche Doppel-Vierer der Frauen hat viele Jahre lang seine Bootsklasse beherrscht, er war ein sicherer Goldkandidat. Aber den letzten WM-Titel gab es 2001, das letzte Olympiagold 2004. In Posen geht es um das Symbol von Größe und Herrlichkeit. Deshalb wurde der Hoffnungslauf zur Machtdemonstration aufgeladen. Der Vorlauf war bloß ein Ausrutscher, das sollte die Botschaft sein. Die Deutschen gewannen souverän. „Wir wollten zeigen, was wir drauf haben“, sagt Waleska. Aber die eigentliche Demonstration muss am Sonntag kommen, beim Finale. „Wir wollen um Gold fahren“, sagt die Trainerin. Sie müssen sogar, das ist die verbandsinterne Erwartung.

Das Boot hatte die Weltcups in München und Luzern gewonnen. „Danach sind wir in die Favoritenrolle gerückt“, sagt Noack. Aber die Situation ist etwas komplizierter. In München gewann das Boot nach furiosen ersten 500 Metern mit einem Start-Ziel-Sieg. „Das haben wir so nicht erwartet“, sagt Noack, aber das erhöhte erstmal automatisch den Druck. Doch München liegt relativ früh in der Saison, die Regatta ist nur eine Standortbestimmung. Außerdem fehlten dort Nationen. In Luzern dann war der Vorsprung schon geschmolzen.

Deshalb riskierte Noack auch eine nahezu sichere WM-Medaille. Huth und Thiele sind Olympiazweite im Doppelzweier, sie hätten auch in Posen wahrscheinlich Edelmetall gewonnen. Aber Noack beorderte sie nach Luzern in den Doppel-Vierer. „Ich wollte das Boot stärken.“ Die Freude von Sophie Dunsing und Tina Manker, die in den Doppel-Zweier umsteigen mussten, hielt sich in überschaubaren Grenzen.

Im Vorlauf hatte Noack den Doppel-Vierer mit ihrer Maßnahme eher geschwächt. „Wir wollten zu viel“, sagt Peggy Waleska. „Vor allem unsere Olympiazweiten wollten sich bestätigen.“ Und seit dem Halbfinale im Doppelzweier stehen Besatzung und Trainerin noch mehr unter Druck. Jetzt muss der Vierer beweisen, dass die Umbesetzung nicht völlig daneben gegangen ist. Die Hoffnung, dass Dunsing/Manker die Olympiazweiten von Peking wenigstens einigermaßen ersetzen können, hat sich zerschlagen. Dunsing/Manker kamen nicht mal ins A-Finale.

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