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Rudern: Unruhe auf dem Wasser

Susanne Schmidt hat die direkte Olympiaqualifikation verpasst. Warum die Ruderin bei der WM im Einer scheitert.

Am Montagabend hatte Jutta Lau noch gesagt: „Susanne, sei keine Barbiepuppe, rudere wie ein Kerl.“ Am Dienstagvormittag aber rudert wieder kein Kerl, Susanne Schmidt zieht ihren Einer unruhig übers Wasser. So jedenfalls registriert es Jutta Lau, die Ruder-Bundestrainerin. „Sie hat zu sehr auf ihre Gegnerinnen geachtet“, sagt sie später. „Noch 600 Meter vor Schluss hätte sie das Rennen umkrempeln können.“ Aber Susanne Schmidt vom RC Tegel krempelt nichts mehr um, sie gleitet als Fünfte im Viertelfinale der Ruder-Weltmeisterschaften in München ins Ziel. In dieser Sekunde hat sie die direkte Olympiaqualifikation verpasst.

Eine Stunde später steht sie vor der Bootshalle der Deutschen und sagt: „Das Rennen war gar nicht so schlecht. Ich habe herausgeholt, was möglich war.“ Susanne Schmidt hat zuvor noch nie ein internationales Einer-Rennen bestritten, sie hat auch erst vor vier Wochen erfahren, dass sie in den Einer wechseln muss. Die 32-Jährige hat zuvor immer in Mannschaftsbooten gesessen, sie wurde Weltmeisterin im Achter sowie Vizeweltmeisterin im Doppelzweier und Doppelvierer. Lau sagte vor der WM: „Platz neun wäre wie ein Medaillengewinn.“ Platz neun hätte die Olympiaqualifikation bedeutet.

Doch weshalb startete Susanne Schmidt überhaupt im Einer? „Weil ich sie geopfert habe“, sagt Lau in bitterem Tonfall. „Weil ich so umgefallen bin wie noch nie.“ Ausgerechnet sie, die Trainerin, die so nett reden kann und gleichzeitig so hart und ehrgeizig ihr Kurs verfolgt. Die Geschichte dieses Umfallens begann im November 2004 in Dresden, in einem Büro des Sächsischen Ruderverbandes. Dort saß Lau mit Trainern und Funktionären des Landesverbandes und diskutierte die Frage: Was passiert mit Peggy Waleska? Peggy Waleska aus Dresden hatte im Sommer olympisches Silber im Doppelzweier gewonnen. Für Waleska und den Landesverband ein Riesentriumph, aber Lau sagt: „Die haben das Silber maßlos überschätzt. Es hätte Gold werden müssen.“ Waleska rudert in ihren Augen in Stresssituationen zu unruhig, sie wollte die Dresdnerin in einem Mannschaftsboot, dort würden ihre Fehler von anderen aufgefangen. Aber Waleska wollte unbedingt in den Einer. „Das war ein Traum von ihr“, sagt Klaus-Dieter Lemke, der Präsident des Sächsischen Verbandes. Lau gab bald ihre Gegenwehr auf. „Aber ihr spielt Russisch Roulette“, sagte sie der Runde. „Wenn sie im Einer sitzt, bleibt sie drin, bis das Wasser zum Hals hochkommt. Sie wechselt nicht in ein Mannschaftsboot.“ Die Vorgabe für Waleska war klar: Olympiagold 2008. Lau selber hätte lieber eine junge Ruderin im Einer für Peking aufgebaut.

Zwei Jahre fuhr die Solistin Waleska hinterher, „im Herbst 2006 kam sie dann und sagte, sie sei keine Einer-Fahrerin“ (Lau). Sie wollte umsteigen. „Aber jetzt“, sagt Lau, „hätte ich hart bleiben müssen.“ Stattdessen sagte sie, verärgert über ihre eigene Inkonsequenz.: „In Ordnung.“ Das sagte sie, weil sie Waleska als Opfer sah. „Sie wurde benutzt.“ Von den Funktionären, von ihrer Heimtrainerin Brigitte Bielig. Weil die Betreuerin dann auch mal bei einer WM dabei sein könne, weil man sich mit einer Weltmeisterin schmücken könne. Bewiesen ist das alles nicht, Brigitte Bielig, die Heimtrainerin von Waleska, war zum Beispiel auch in Athen dabei, obwohl ihre Athletin dort nicht Einer fuhr. „Peggy wollte sich im Einer bestätigen, nur deshalb habe ich zugestimmt“, sagt Verbandschef Lemke. „Und Lau soll erstmal in ihrem Laden für Ordnung sorgen, bevor sie über andere herzieht.“

Auf jeden Fall stieg Waleska für die WM in den Doppel-Zweier um. Jutta Lau experimentierte für den Einer mit verschiedenen Lösungen, schließlich blieb nur die Wahl zwischen Manuela Lutze und Schmidt. Beide saßen im Doppel-Vierer, einem Boot mit Medaillenchancen. Der Rest der Besatzung durfte mitreden, das Ergebnis: Lutze bleibt im Boot. Schmidt muss umsteigen. Die versuchte nun, in vier Wochen eine gute Einer-Fahrerin zu werden. Der Versuch endete im Viertelfinale auf Platz fünf. Und wahrscheinlich bleibt’s bei dem Versuch. „Vor Peking“, kündigt Jutta Lau an, „werden alle Boote wieder neu besetzt“.

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