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Und wo geht’s zum Vip-Bereich? Herthas Fans feierten 1997 den Aufstieg im Olympiastadion und auf dem Maifeld.

© dpa

Rückblick: Es war einmal... Herthas Aufstieg 1997

Unser Autor Lucas Vogelsang erlebte Herthas Aufstieg 1997 als 11-Jähriger mit Cola, Hüpfburg, Feuerwerk - und Günther Jauch.

Viel haben Günther Jauch und Hertha BSC nicht gemeinsam. Der lächelnde Anzug von RTL ist ein Sympathien absorbierendes Erfolgsmodell, Hertha BSC hingegen nach wie vor ein Klub ohne Eigenschaften, der im Millionenspiel Bundesliga zuletzt oft schon vor der 500 Euro-Frage alle Joker verspielt hatte. Sie passen eigentlich nicht zusammen, Jauch und Hertha. Und doch ist Jauch, seit Jahren bekennender Hertha-Fan, mein ganz persönliches Gesicht des Aufstiegs vor 14 Jahren.  

Ich war elf Jahre alt, als Schiedsrichter Frank Gettke am 8. Juni 1997 um kurz vor Fünf das Spiel gegen den KFC Uerdingen beendete. Hertha war wieder erstklassig. Für mich war es ein sonderbarer Moment. Denn mir war die Agonie jahrelanger Zweitklassigkeit fremd. Ich hatte meine Zuneigung zu Hertha BSC erst wenige Wochen zuvor entdeckt  Im Heimspiel gegen Waldhof Mannheim. Es war das erste echte Fußballspiel, das ich im Olympiastadion gesehen hatte. Zuvor hielt ich das Stadion für einen Ort, den man nur besuchen durfte, wenn man jemand Besonderes war. Eberhard Diepgen zum Beispiel, oder Rolf Eden. Was wohl auch daran lag, dass ich bis dahin überhaupt erst zwei Mal dort gewesen war. Mit meinem Vater. Bei einem Footballspiel mit anschließendem Feuerwerk und dem Opel-Cup, einem Blitzturnier zwischen Bayern München, dem AC Mailand und Paris St. Germain. Mit Pfiffen für Matthäus. Und Feuerwerk. Er war nicht wegen Matthäus dort. Mein Vater liebt Feuerwerk. 

Auch deshalb saß ich zum Saisonfinale wieder auf der Tribüne. Mit meinem Vater, der gehört hatte, dass Herthas Aufstieg am Abend leuchtend in Himmel gezeichnet werden sollte. Nach dem Abpfiff verwandelte sich das Olympiastadion in ein Volksfest, Freibier auf dem Maifeld, Frank Zander. Das Übliche halt. Es war einer dieser Nachmittage, der in der nostalgisch verklärten Retrospektive dem Idealbild kindlicher Glückseligkeit sehr nahe kommt. Nur etwas fehlte: Autogramme. Kruse, Covic, Dinzey. Zudem war mein Vater, Volksfest hin, Euphorie her, weit davon entfernt, mit den Kutten auf dem Maifeld Bruderschaft zu trinken. Der gemeinsame Sehnsuchtsort war deshalb schnell definiert: Wir mussten irgendwie in den abgetrennten VIP-Bereich gelangen, in dem die Spieler feierten und die Kinder der Ehrengäste, darunter bestimmt auch Eberhard Diepgen und Rolf Eden, eine eigene Hüpfburg hatten. 

Und dann kommt Günther Jauch

Nur brauchte man, um hinter den Zaun zu gelangen, eines dieser farbigen Bändchen, die Fans in Kasten unterteilen. Ich hatte keines, dafür aber einen Vater, der Anfang der 70er mit einer selbst gebastelten Ordnerbinde zu The Who in die Deutschlandhalle marschiert war. Er wusste also wie es geht. In Ermangelung  einer überzeugenden Verkleidung mussten wir jedoch auf eine glückliche Fügung hoffen, um den Ordner am Eingang zu überwinden. Und das Glück trug an diesem Nachmittag einen lächelnden Anzug. Günther Jauch. Er lief, ein breites Aufstiegslächeln im Gesicht, das den Blick freigab auf seine markanten Eckzähne, an uns vorbei in Richtung VIP-Eingang. 

Mein Vater hatte die Situation in Sekundenbruchteilen analysiert und folgte Jauch. Ich folgte meinem Vater. Am Eingang waren wir direkt hinter Jauch. Der Ordner hatte ihn längst erkannt. Aber Jauch, der ja diesen Schwiegermütter kompatiblen Humor besitzt, zog den Ärmel seines Hemdes dennoch ein Stück zurück und drehte das Handgelenk nach oben. Das Bändchen. Der Ordner nickte, lachte. Reflexartig drehte auch mein Vater sein allerdings nacktes Handgelenk himmelwärts, ich kopierte seine Geste, diese Mischung aus dreister Überzeugung und lausbubenhaftem Taschenspielertrick. Der Ordner, in Gedanken wohl bei seiner Schwiegermutter, lachte immer noch und nickte einfach. Wir waren drin.

Autogramme, Hüpfburg, Coca Cola aus Fässern. Die Erste Liga fühlte sich gut an. Und später am Abend gab es Feuerwerk. Ich hätte mir nach diesem Tag eigentlich ein Trikot mit „Jauch“ beflocken lassen müssen. Es wurde dann aber Sergej Mandreko, ein wirrer Kasache mit einem Gesicht, gezeichnet von russischer Schwermut. Der passte irgendwie besser zu Hertha BSC.

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