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Sport: Rückkehr aus der Unauffälligkeit - In Berlin blieb Piotr Reiss im Schatten, in Duisburg glänzt er als Torjäger

Es sieht nicht gut aus für den MSV Duisburg. Im Revier, wo Fußball noch gearbeitet wird, haben Träume keine lange Halbwertszeit.

Es sieht nicht gut aus für den MSV Duisburg. Im Revier, wo Fußball noch gearbeitet wird, haben Träume keine lange Halbwertszeit. Acht Punkte Rückstand auf den rettenden Platz 15 sind Argument genug dafür, dass der MSV in der kommenden Saison wohl in der zweiten Fußball-Bundesliga kicken wird. Die Konkurrenz sondiert bereits, wer sich denn aus der sportlichen Konkursmasse für ein weiteres Engagement in der Ersten Liga eignet. Zu den begehrtesten Duisburgern zählt Piotr Reiss. Fünf Tore hat er in zwölf Spielen für den MSV erzielt und sich damit einen Platz in der polnischen Nationalmannschaft erspielt. In Duisburg sind sie mehr als zufrieden mit dem Mann, der im letzten Herbst aus Berlin gekommmen ist. Kleiner Haken: Reiss steht bei Hertha BSC unter Vertrag, bis 2002. Die Berliner haben ihn nur ausgeliehen. Morgen sehen sich beide Seiten wieder: bei Herthas Gastspiel im Wedaustadion

350 000 Mark Leihgebühr hat der MSV im vergangenen November nach Berlin überwiesen. Piotr Reiss denkt nicht gern zurück an die Zeit, da er sein Können nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei Trainingsspielchen auf dem Maifeld zeigen konnte. "Ich habe einfach keine Chance mehr bekommen - ach was, nicht mal die Spur einer Chance", sagt Reiss. Zehn Spiele hat er für Hertha gemacht und dabei ein Tor geschossen. Das war gleich bei seinem Debüt. Beim furiosen 4:0-Sieg in Hamburg schoss Reiss das 1:0, und anschließend schwärmten alle von ihm. Schnell, torgefährlich, ein perfekter Konterspieler - genau so einen hatte Hertha gesucht. Wochenlang hatten die Berliner ihre Späher kreuz und quer durch ganz Europa geschickt und schließlich in Reiss den Mann ausfindig gemacht, der das Problem im Angriff lösen sollte. Die Begeisterung kühlte schnell ab. Reiss fand nie mehr zurück zur Form seines Debüts, verschwand in der Unauffälligkeit und damit auch aus den Planungen von Trainer Jürgen Röber.

Schon deshalb ist die Partie morgen gegen Hertha eine ganz besondere für Piotr Reiss: Nur zu gerne will er Röber zeigen, was dieser an ihm verloren hat. Eine Rückkehr am Saisonende ist für Reiss derzeit nur schwer vorstellbar. Hertha hat in der Winterpause mit dem Brasilianer Alves für 14,5 Millionen Mark einen weiteren Top-Stürmer verpflichtet. Preetz, Daei, Alves - wo soll da Platz für Reiss sein? Und was ist mit Duisburg? Der MSV hat keine Kaufoption. Hertha BSC verlangt rund drei Millionen - viel zu viel für die von wirtschaftlichen Zwängen gebeutelten Duisburger.

Piotr Reiss hat seine Chance in Duisburg genutzt. Polens Nationaltrainer Jerzy Engel hat ihn nach den guten Kritiken beim MSV zurück in die Nationalmannschaft geholt. Bei der 0:1-Niederlage gegen Weltmeister Frankreich in Paris bestritt er sein drittes Länderspiel. Der Wert des Piotr Reiss wächst mit jedem internationalen Auftritt - und natürlich auch mit jedem Tor. Da schert es ihn herzlich wenig, dass der MSV Duisburg kaum noch zu retten ist. "Ich muss mich in jedem Spiel anbieten", sagt Reiss. "Es geht um meine Zukunft." Wo immer diese sich auch abspielen wird.

Friedhelm Funkel weiß, dass es "verdammt schwer wird, den Piotr zu halten, obwohl ich weiß, wie gerne er in Duisburg ist". Der Duisburger Trainer hatte Reiss schon im vergangenen Sommer auf seiner Kandidatenliste. Bewegung kam in den Fall Reiss erst nach einen Telefonat zwischen Herthas Torjäger Michael Preetz und Duisburgs Kapitän Torsten Wohlert. Preetz berichtete seinem Freund aus gemeinsamen Duisburger Zeiten vom Ehrgeiz des Polen im Training und riet dem MSV, es noch einmal mit einem Leihgeschäft zu versuchen: Sein Urteil über Reiss: "Der taugt." Preetz hat Recht gehabt.

Bernd Bemann

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