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Sport: Runden, Rummel, Routine

Robert Bartko ist der älteste Fahrer beim Sechstagerennen – ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht.

Berlin - Wahrscheinlich hört er sie schon gar nicht mehr, diese wilde Mischung aus Pfiffen, musikalischen Einspielern und anderen Nebengeräuschen. „Nimm Platz“, sagt Robert Bartko und deutet auf die Sitzbank seiner Kabine, die einem Strandkorb doch sehr nahe kommt, „ich hab ja grad Pause.“ Wobei Bahnradsportler ihr ganz eigenes Verständnis von Pausen haben. Wenige Meter hinter Bartko rollt der Zirkus an diesem zweiten Abend des Berliner Sechstagerennens weiter, Runde für Runde für Runde. Gerade war noch ein Kamerateam da und hat einen Beitrag gedreht über den ältesten Fahrer im 32 Teilnehmer starken Feld, plötzlich läutet die Glocke im Start-Ziel-Bereich, die Menge johlt, der DJ dreht noch einmal auf. Wird man da nicht irgendwann wahnsinnig?

Robert Bartko lächelt erhaben und beantwortet die Frage mit einer kleinen Geschichte. „Wenn mich meine Frau nach einem Wettkampf anruft und fragt, wie es so gelaufen ist, dann weiß ich manchmal gar nicht, was ich ihr erzählen soll“, sagt der 37-Jährige. Soll heißen: Bartko hat in seiner von Olympiasiegen und WM-Titeln gekrönten Karriere so ziemlich alles gesehen, ihn kann nichts mehr aus der Bahn werfen, erst recht nicht beim Heimspiel im Velodrom. „Für mich ist das Routine“, sagt der gebürtige Potsdamer, „da denkt man nicht mehr groß drüber nach.“ Doch wie sieht so ein Tag für Fahrer beim Sixdays abseits des Ovals eigentlich aus?

„Der Ablauf ist immer derselbe“, sagt Bartko, „ausschlafen, frühstücken, irgendwann am Nachmittag in die Halle.“ Dann beginnt die alltägliche Prozedur von vorn. Cremen, salben, sich durchkneten lassen, manche Fahrer im Feld schmieren sich sogar ihr Gesäß ein, mit sogenannter Sitzcreme. „Ich bin da aber eher Minimalist. Vermeintliche Wundersalben helfen im Gegensatz zu gutem Training nicht“, sagt Bartko und sein Teamkollege, der 23-jährige Berliner Theo Reinhardt, nickt zustimmend. Die beiden Fahrer mit Lokalkolorit zählen auch deshalb zu den Lieblingen des Publikums, weil sie vom Alter her so unterschiedlich sind. Im vergangenen Jahr haben Bartko und Reinhardt zum ersten Mal ein Team gebildet, „in diesem Jahr ist unsere Abstimmung noch ein bisschen besser geworden“, sagt Bartko. Dazu gehören natürlich auch taktische Auswertungen und Analysen.

„Für eine fundierte sportliche Prognose ist es aber noch zu früh“, sagt Bartko. Erfahrungsgemäß fällt die Entscheidung oft erst in den letzten Runden des letzten Rennens. Bis Dienstagabend müssen noch einige Muskeln geknetet, einige Schrauben gewechselt werden. Im Grunde passiert alles auf wenigen Quadratmetern, die Konkurrenz kann immer zusehen, sie sitzt nur ein paar Zentimeter entfernt. Trotzdem geht es freundschaftlich zu zwischen den Fahrern, wenn sie nicht gerade um Zeiten und Runden kämpfen. Ellbogengesellschaft ist anders. „Ich mag das“, sagt Robert Bartko.

Wie lange der 37-Jährige noch Teil der Branche ist, darüber hat sich Bartko angeblich noch keine Gedanken gemacht. „Im Moment habe ich zu viel um die Ohren“, sagt der Familienvater. Seit einem Jahr studiert er Sportmanagement in Potsdam, seit vergangenem Sommer fungiert er zudem ehrenamtlich als Vizepräsident beim Landessportbund Berlin. Eine Option für die Zeit nach der Karriere? „So weit sind wir noch nicht“, sagt Robert Bartko, „dafür macht der Rummel noch zu viel Spaß.“ Christoph Dach

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