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Sport: Rupert Scholz ist ein Verlierer bei der Hertha-Wahl - und doch ein Gewinner

So ein Bier, nach Versammlungsmarathon kredenzt, kann herrlich sein. Rupert Scholz wird es weniger geschmeckt haben.

So ein Bier, nach Versammlungsmarathon kredenzt, kann herrlich sein. Rupert Scholz wird es weniger geschmeckt haben. Als er nach Mitternacht im Hotel Estrel mit seinen Mitstreitern auf seinen 63. Geburtstag anstieß, wirkte Scholz angeschlagen. Was er sich natürlich, ganz Politiker, nicht anmerken ließ. Doch "dass ich Prügel bekommen habe", das war dem früheren Verteidigungsminister klar. Prügel durch Mitglieder von Hertha BSC. Die brauchten eben, so Scholz, ein Ventil. Und der Unmut schlug sich auch zahlenmäßig nieder. Als um 0 Uhr 27 der Ausgang der Wahl endlich bekannt wurde, stand der Professor mit dem zweitschlechtesten Ergebnis da. Gewählt, gewiss, aber nicht unbedingt eine Empfehlung, wenn es demnächst darum geht, intern den Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu bestimmen. Um die Wahl dieses Gremiums ging es vorrangig auf der Mitgliederversammlung.

Scholz hatte einen schweren Stand. Souverän und kompetent war er beim Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrates aufgetreten, als Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Robert Schwan für eine Übergangszeit Vorsitzender des Rates. Manchen der Mitglieder zu souverän und zu glatt. Und so erhitzten sich die Gemüter am alten - und von Scholz längst zurückgewiesenen - Vorwurf, er habe einst mit Blau-Weiß 90 angebandelt und der damals siechen Hertha den Rücken gekehrt. Wütende Zwischenrufe gab es. Scholz wehrte sich, wies Verdächtigungen und Mutmaßungen zurück. Die Stimmung blieb frostig. Gemutmaßt wurde, Scholz würde bei der Wahl durchfallen. Es hätte nicht viel gefehlt.

Andere aus dem neunköpfigen Scholz-Team erwischte es. Hans-Jürgen Ahlhoff und Thorsten Manske scheiterten an der mangelhaften Selbstdarstellung, auch das bisherige Ratsmitglied Axel Kirsch kam nicht durch. Scholz sprach trotzdem von einem "guten Ergebnis". Die meisten Stimmen erhielt der Hotelier Klaus Brüggemann. Er stand auf der so genannten blauen Liste. Die war für die Scholz-Crew eher ein rotes Tuch. Auf der stand auch Günter Troppmann, engster Mitstreiter von Scholz. Troppmann verkündete noch vor der Wahl, er distanziere sich von dieser Liste. Auf der stand übrigens auch Heinz Warneke. Er distanzierte sich nicht. Gewählt wurden beide.

Gewählt wurde auch Bernd Schiphorst, bislang Vorsitzender des Wirtschaftsrates. Hinter dem künftigen Medienbeauftragten von Berlin und Brandenburg, gleichzeitig Berater des Bertelsmann-Verlages, stand dem Vernehmen nach bis zuletzt ein Fragezeichen. Erst am Montag, Stunden vor der Wahl, soll der DFB sein Einverständnis zur Kandidatur gegeben haben. Bekanntlich will der Verband die Einflußnahme von Unternehmen auf Vereine eindämmen.

Nicht gewählt wurde Manfred Zemaitat, der Ex-Präsident. Unerwartet kam das nicht. Schon lange vor der Wahl wurde er aufs Korn genommen. Von Rupert Scholz, von Manager Dieter Hoeneß, auch von Walter Müller. Der jetzige Präsident fuhr scharfes Geschütz auf. Müller: "Wer die Eitelkeiten über die Bedürfnisse des Vereins stellt, darf keine Chance haben." Der Versuch, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, sei zu durchsichtig. Zemaitat, schon vor seiner Selbstvorstellung mit Buhrufen bedacht und von einem anderen ehemaligen Präsidenten, Wolfgang Holst, vergeblich zum Verzicht auf die Kandidatur gedrängt, verkaufte sich in den allen Kandidaten gewährten drei Minuten mehr schlecht als recht. Er fiel sang- und klanglos durch. Zur Erleichterung von Scholz und seinen erfolgreichen Mitstreitern.

Trotz des Dämpfers für Scholz, trotz des Scheiterns dreier seiner Kandidaten - der nun siebenköpfige Aufsichtsrat, auch Kontrollorgan des Präsidiums, wird ein enormer Machtfaktor im Verein bleiben. Dass sich die Mitglieder letztlich doch nicht dem geballten Angebot an Kompetenz verweigerten, spricht für sie. Wobei 667 stimmberechtigte Anwesende bei über 8500 Mitgliedern ein Armutszeugnis sind.

Wer bis zuletzt ausharrte, benötigte Stehvermögen. Längst war ein Uhr vorbei, als Versammlungsleiter Michael Borgis den letzten Gong schlug. Wütende Beschimpfungen hatte er sich zuvor wegen der langwierigen Auszählung der Stimmen von einigen anhören müssen, die am nächsten Morgen zur Arbeit mussten. Aber die Kritik traf den Falschen: Borgis war unschuldig.Mehr zum Thema unter: www.herthabsc.de

Klaus Rocca

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