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Sport: Russlands Tennis besteht nicht nur aus Anna Kurnikowa - Elena Dementiewa ist der lebende Beweis

Sie ist 18 Jahre alt und kommt aus Russland. Sie spielt sehr gut Tennis.

Sie ist 18 Jahre alt und kommt aus Russland. Sie spielt sehr gut Tennis. Sie hat lange Beine und lange blonde Haare. Einen Pferdeschwanz, keinen Zopf. Sie heißt nämlich nicht Anna Kurnikowa, sondern Elena Dementiewa. Als Achtjährige trainierten sie beide gemeinsam mit vielen anderen kleinen Mädchen bei Spartak Moskau. Zwei Jahre später trennten sich ihre Wege: Anna zog mit ihrer Mutter nach Florida und wurde zum hoch bezahlten Glamourgirl gemacht, das die Klatschspalten füllt. Elena, die Ruhige, wechselte zu ZSKA Moskau und bastelte im Stillen an ihrer Karriere. Ihre Heimat zu verlassen, ist für sie unvorstellbar, "hier ist meine Familie, hier sind meine Freunde".

Anna Kurnikowa ist die Nummer 14 der Weltrangliste, Elena Dementiewa die Nummer 31, nach den German Open wird sie weiter aufgeholt haben. Und hat doch keine Chance, Anna die Schau zu stehlen. Am Mittwoch besiegte sie Arantxa Sanchez-Vicario, die Vorjahres-Halbfinalistin. Danach gab sie kein einziges Interview, es wollte einfach niemand etwas von ihr wissen. Alle Augen waren auf den Centrecourt gerichtet, wo sich zeitgleich das Drama um die verletzte, weinende Anna Kurnikowa abspielte. "Dass Anna immer im Mittelpunkt steht, stört mich nicht. Das ist ihr Weg, ich gehe meinen. Ich will gar nicht so viel Aufmerksamkeit haben. Es ist sehr hart zu trainieren, wenn man ständig unter Beobachtung steht", sagt die Moskauerin. Sie hingegen kann sich in Ruhe weiterentwickeln und auch mal Fehler machen und verlieren, "ich fühle mich so sehr wohl".

Elena Dementiewa bekämpft ihre Gegnerinnen von der Grundlinie aus und rückt nur selten ans Netz vor. Sie hat viel Übersicht und wartet geduldig ab, ehe sie ihre Bälle dann zentimetergenau in die Ecke drischt. Auf dem Platz zeigt sie nur selten Emotionen. Nur manchmal, wenn sie einen Fehler gemacht hat, entschlüpft ihr ein kurzer entsetzter Aufschrei. "Die kann das Turnier gewinnen, sie ist besser als Hingis", sagte ein Zuschauer anerkennend nach Dementiewas 6:2, 6:1 im Achtelfinale gegen die Tschechin Kveta Hrdlickova. Diesen Vergleich mit ihrem großen Vorbild lehnt die Russin (noch) ab, "ich versuche einfach, mein bestes Tennis zu spielen. An meinem Volley und meinem Aufschlag muss ich noch arbeiten". Aber ihr Ziel ist es schon, da hin zu kommen, wo Hingis steht: an Position eins der Weltrangliste. "Das will doch jede. Oder?"

Was in ihr steckt, hat sie immer wieder bewiesen. Mit 14 war sie Jugendweltmeisterin, 1999 spielte sie ihre ersten Grand-Slam-Turniere. Im Finale des Fedcups gegen die USA holte Dementiewa 1999 den einzigen Punkt für Russland - gegen Venus Williams. In diesem Jahr besiegte sie bereits Anke Huber und unterlag bei den Australian Open erst in Runde drei Julie Halard-Decugis in drei Sätzen. In Indian Wells war im Halbfinale gegen Lindsay Davenport Endstation.

In Moskau hat Dementiewa einen eigenen Trainer. Weil der seine Familie nicht wochenlang allein lassen will, wird sie auf der WTA-Tour von Mama Vera betreut. Sie ist erst durch die Tochter zur Expertin geworden. "Vor 15 Jahren hat sie selbst gespielt. Jetzt, in ihrem Alter, ist das schwierig", sagt die Tochter und verzieht keine Miene. Frau Dementiewa ist 37. Wenn Elena keinen Trainingspartner hat, darf die Mama aber einspringen, "dann gebe ich ihr eine Chance".

Manchmal, wenn Mutter und Tochter auf Reisen sind, gehen sie gemeinsam shoppen. So wie viele der Kolleginnen, die mit einem Koffer voller Designerklamotten nach Hause reisen. Elena Dementiewa kauft keine Kostüme. Sie kauft Kakteen. "20 Stück habe ich schon, mit gelben und roten Blüten." Da kann Anna nicht mithalten. Bestimmt nicht.

Helen Ruwald

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