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Sabine Lisicki: Mit Gefühl nach vorne

Anders als viele ihrer Konkurrentinnen überzeugt Sabine Lisicki durch ein durchdachtes und variables Tennisspiel – und ein bescheideneres Auftreten.

Berlin - Das „Come on“ folgte genauso obligatorisch wie die geballte Faust. Sabine Lisicki strahlte wie ihr knallgelbes T-Shirt, als sie sich joggend auf den Weg zum Netz machte, um sich bei Jelena Wesnina für das Match zu bedanken. Nahezu mühelos hatte die Berliner Tennishoffnung ihre russische Gegnerin 6:4, 6:0 besiegt und das Halbfinale des WTA-Turniers in Charleston erreicht. Dort traf Lisicki am späten Samstagabend auf die Nummer dreizehn der Welt, Marion Bartoli (nach Redaktionsschluss beendet).

Einen Tag zuvor allerdings hatte sich Lisicki noch wesentlich heftiger freuen dürfen. Als die 19-Jährige nämlich die Weltranglistenfünfte Venus Williams (USA) völlig überraschend im Achtelfinale durch ein 6:4, 7:6 (7:5) aus dem Turnier geworfen hatte. „Das ist ein großartiger Erfolg für mich und mein bestes Turnier bislang“, sagte Lisicki zufrieden.

Auf dem grünen Sand von Charleston, bei einem der höchstdotierten Sandplatzturniere des Damentennis, schaffte sie es nach Memphis im Februar bereits zum zweiten Mal in dieser Saison unter die letzten vier. „Ich habe in den vergangenen Monaten hart trainiert und mich auch sehr gut gefühlt auf dem Platz“, sagt Lisicki. „Nur leider konnte ich das im Match oft nicht so umsetzen. Ich bin wirklich glücklich, wie es gerade läuft.“

Dass die Berlinerin die Spielanlagen für die Weltspitze hat, daran zweifelt schon lange niemand mehr. Oft nur stehen Lisicki die eigenen Nerven im Weg, oder sie will auf dem Platz einfach zu viel. „Sie ist ganz klar eine Top-Ten-Spielerin“, sagt Fedcup-Teamchefin Barbara Rittner. „Sie hat ein unglaubliches Gefühl für den Ball. Und sie kann einer Gegnerin ihr Spiel aufzwingen.“ Lisicki habe vor allem ein gutes Gespür für die Situation auf dem Platz. Während andere Spielerinnen sich momentan vor allem dadurch auszeichnen, dass sie ohne viel Kopf und Verstand möglichst hart auf die Bälle einprügeln, setzt Lisicki häufig Stopp-Bälle ein oder variiert ihr Spiel. Oft jedoch geht sie dabei zu viel Risiko ein. „Sie erinnert mich an eine Boxerin, die nach allen Richtungen schlägt“, sagt Nick Bollettieri, für dessen Tennis-Schule in Florida sich Lisicki wie auch Thomas Haas früh schon entschieden hat.

Lisicki scheint ein wenig reifer geworden zu sein. Schlanker als in der vergangenen Saison ist sie und fitter. Und sie steckt sich inzwischen bescheidenere Ziele. Verkündete sie voriges Jahr noch jedem, sie wolle die Nummer eins der Welt werden, gibt sie nun an, bis Jahresende zu den besten 30 gehören zu wollen. Von Position 237 auf vorübergehend 49 schaffte sie es 2008 bereits, als sie in Taschkent ihr erstes Finale erreichte. Etappenziele werden nun mit ihrem Vater und Trainer Richard Lisicki gesetzt, das große Ziel bleibt aber fest im Blick.

Ein weiteres großes Ziel der Weltranglisten-63. ist die Rückkehr Deutschlands in die Weltgruppe des Fedcups. Nach dem 3:2-Sieg über die Schweiz im Februar geht es am kommenden Wochenende in Frankfurt gegen China. Für Barbara Rittner gehört Lisicki längst zum festen Stamm des Teams – spätestens seit die Berlinerin bei ihrem Debüt im Februar des vergangenen Jahres die ehemalige Weltranglistenerste Lindsay Davenport schlug. Gegen Venus Williams gelang ihr nun ein ähnlich erfolgversprechender Coup.

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