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Nicht abheben. Sabine Lisicki musste zuletzt ihre Ziele neu definieren. Erst einmal war die 20-Jährige froh, überhaupt wieder stehen zu können.

© dpa

Sabine Lisicki: Vorsicht macht den Champion

Tennis wollte sie nicht einmal mehr im Fernsehen verfolgen: Sabine Lisicki plagt seit vier Monaten eine Knöchelverletzung – nun steht sie wieder auf dem Platz.

Berlin - Den Fehler will sie einfach nicht noch einmal machen. „Diesmal“, sagt Sabine Lisicki, „will ich wirklich hundertprozentig sicher sein, dass es wieder geht.“ Hundertprozentig sicher, dass der linke Knöchel hält. Zwei Mal schon hat die Berlinerin in dieser Saison zu früh wieder mit dem Tennisspielen begonnen. Zwei Mal wurde sie dafür mit einer noch längeren Verletzungspause bestraft. Deswegen ist Sabine Lisicki nun vielleicht übervorsichtig. Seit über vier Monaten hat sie kein Match mehr auf der Tour bestritten. Das für Mitte Juli angekündigte Comeback im slowenischen Portoroz sagte sie kurzfristig wieder ab, weil die Ärzte die Belastbarkeit des linken Knöchels als zu gering einstuften. Bloß kein Risiko. Denn mittlerweile quält sich die im Vorjahr als aufstrebende deutsche Spielerin gefeierte Lisicki von einer Verletzung zur nächsten.

„Ich will jetzt einfach nichts überstürzen“, sagt Lisicki. „Jetzt war ich vier Monate sehr geduldig, da kommt es auf ein, zwei Wochen auch nicht mehr an.“ Diese Geduld, mit der Sabine Lisicki Sätze wie „Wenn ich hart arbeite, werde ich auch wieder zurückkommen“ mantraartig wieder und wieder aufsagt, wird derzeit auf eine harte Probe gestellt. Erst neun Matches hat die 20-Jährige in diesem Jahr gespielt. In Indian Wells war sie Anfang März umgeknickt, hatte es in Miami zwei Wochen später noch einmal probiert – und musste erneut verletzt aufgeben. Die Verletzung am linken Knöchel war schlimmer als zunächst befürchtet. Es folgten sechs Wochen auf Krücken. „Das ist das Schlimmste, was es für einen Sportler geben kann“, sagt Lisicki. Am Olympiastützpunkt in Berlin bekam sie einen Spezialgips, mit dem sie schwimmen konnte, sie trainierte viel im Kraftraum, versuchte sich fit zu halten. „Aber die Muskulatur bildet sich zurück, das ist unvermeidbar.“

Ebenso unvermeidbar war der Absturz in der Weltrangliste. Umso härter, weil es zuvor für Sabine Lisicki immer steil bergauf gegangen war. Mitte April 2009 gewann sie ihr erstes WTA-Turnier im amerikanischen Charleston, der Viertelfinaleinzug in Wimbledon war der vorläufige Höhepunkt, der im August in die vorerst höchste Weltranglistenposition mündete: Mit 19 Jahren stand sie bereits auf Platz 22. „Dann kam das Pech“, sagt sie. „Es kam irgendwie alles zusammen.“ Eine Schulterverletzung plagte sie den Sommer über, bei den US Open knickte sie mit demselben Fuß um, der sie nun für vier Monate aus dem Wettkampf nahm, weinend wurde sie mit dem Rollstuhl vom Platz gefahren.

Das erneute Umknicken im März bedeutete die Absage für die French Open und Wimbledon. Nicht einmal im Fernsehen hat sich Lisicki die großen Turniere angeschaut. „Das musste ich mir nicht antun“, sagt sie bitter. Auch vom ersten Turniersieg ihrer Fed-Cup-Kollegin Julia Görges erfuhr sie erst im Nachhinein und gratulierte ihr selbstverständlich – auch wenn selbst Görges Lisicki inzwischen in der Weltrangliste überholt hat, wo diese nun 60 Plätze weiter hinten geführt wird als noch vor einem Jahr. Im Tennis kommt das einem Neuanfang gleich. Bei Turnieren wird Lisicki nicht mehr gesetzt sein, muss vor allem bei den Grand Slams wie den am 30. August beginnenden US Open wieder auf eine gute Auslosung hoffen. Der Vorteil ist: „Im Moment kann es nur noch besser werden.“

Zumindest gesundheitlich ist sie offenbar auf einem guten Weg. Mindestens zwei Stunden täglich steht Lisicki nun wieder auf dem Tennisplatz bei Nick Bollettieri in Florida. „Ich bin fast dran am normalen Trainingsniveau“, sagt sie. Wenn alles gut geht, will sie in der kommenden Woche in Cincinnati antreten. Jedoch nur, wenn jedes medizinische Risiko ausgeschlossen ist. „Für mich ist momentan am wichtigsten, gesund zu bleiben.“

So schnell verschieben sich die Ziele. Für Lisicki, die zuvor in jedem Interview kess verkündet hatte, sie wolle die Nummer eins der Welt werden, ist es jetzt schon „ein Erfolg, wieder stehen zu können“. Auch wenn sie versucht, den „Kindheitstraum“ der Nummer eins weiter im Blick zu behalten. Wieder wird sie sich Schritt für Schritt nach vorn kämpfen müssen. Sie glaubt, dafür nun noch stärker zu sein. „Die letzten Monate waren die schwierigste Zeit meines Lebens“, sagt sie. „Aber das passiert jedem Sportler. Und nur die Champions kommen da wieder raus.“ Und das will Lisicki schließlich bald wieder sein. Bei aller Vorsicht.

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