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Sabrina Mockenhaupt: Blackout bei Kilometer zwölf

Die deutsche Sieghoffnung Sabrina Mockenhaupt steigt abrupt aus dem Halbmarathon aus und redet von einer „Kurzschluss-Reaktion“ – zwei Kenianer siegen.

Berlin - Mark Milde saß in einem der Begleitfahrzeuge, Nachrichten von der Strecke liefen ein, Routine-Kram, bis dann noch eine Info kam, und da war’s dann vorbei mit der Routine. Und mit Mildes Gelassenheit auch. „Mocki ist bei Kilometer zwölf ausgestiegen“, erfuhr der Renndirektor des Berliner Halbmarathons. Mocki? Sabrina Mockenhaupt? Die Favoritin des Halbmarathons? Die Frau, die noch am Freitag erklärt hatte, dass sie nach ihrem Trainerwechsel so zufrieden sei?

Genau, diese Sabrina Mockenhaupt. Milde war erstmal „völlig überrascht“. Er sprach dann im Ziel mit ihrem Trainer Thomas Eickmann, danach war er allerdings auch nicht viel schlauer. Eickmann konnte auch nicht viel sagen, seine Athletin hatte ihm nur emotionale Bruchstücke hinterlassen. „Sie hatte einen Blackout“, sagte Milde später, „es war eine Kurzschluss-Reaktion.“

Die Reaktion war wirklich sehr kurzschlussartig. Bis zu Kilometer zwölf lief sie durchaus noch laut Zeitplan, sie lag zwar klar hinter der späteren Siegerin Valentine Kipketer aus Kenia, aber das sagte in diesem Moment wenig aus. Dann musste irgendetwas passiert sein. Was genau, war gestern nicht zu erfahren, weil Mockenhaupt sich frustriert in ihr Hotelzimmer zurückgezogen hatte. Milde denkt, dass er heute die genauen Gründe kennen wird. Vermutlich wird dieser Blackout die Aussteigerin ein paar Euro kosten. Üblicherweise wird ein Teil der Gage gestrichen, wenn jemand ein Rennen nicht beendet. Für Milde war das gestern allerdings erstmal ein Randthema.

So stand plötzlich Valentine Kipketer vor Journalisten und TV-Kameras, 18 Jahre alt, verhuscht und erkennbar überfordert von dieser Szenerie. Wundert’s einen? Sie ist schließlich zum ersten Mal außerhalb von Kenia, hat zum ersten Mal einen anspruchsvollen Halbmarathon absolviert, und nie hätte sie damit gerechnet, dass sie nach 1:10:12 Stunden als Siegerin interviewt werden würde. Sie hatte sich bloß gewundert, dass die Kenianerinnen und Äthiopierinnen, die sie am Start gesehen und die ihr so viel Respekt eingeflößt hatten, auf der Strecke gar nicht mehr zu sehen waren.

Geoffrey Kipsang ist auch erst 18 Jahre alt, ebenfalls ein Kenianer, aber er wirkte routinierter vor den Mikrofonen und Reportern. Das wiederum muss einen nicht wundern, Kipsang wurde vor zwei Wochen Junioren-Weltmeister im Cross. Jetzt hatte er auch beim Berlin-Halbmarathon triumphiert (60:38 Minuten). Seine persönliche Bestzeit (62:04) hatte er dabei erheblich gesteigert. Eigentlich wollte er sogar unter 60 Minuten laufen, aber die Tempomacher waren einfach zu langsam. Bei Kilometer 15 wurde es Kipsang dann zu bunt, er zog das Tempo an, und zwei Kilometer vor dem Ziel wurde er noch schneller, schüttelte seine letzten Gegner ab und lief einen klaren Vorsprung heraus. „Und nun“, sagte er, „will ich bald unter 60 Minuten laufen.“ Zwei 18 Jahre alte Sieger beim Halbmarathon, das hatte es im Übrigen in Berlin noch nie gegeben.

Sabrina Mockenhaupt lag zu dieser Zeit, als Kipsang über seine Ziele redete, vermutlich heulend auf ihrem Bett. Milde hatte sie erst gar nicht überredet, vor die Medien zu treten, er spürte da eine gewisse Fürsorgepflicht. Er wusste ja, was man im Frust nach so einer Pleite so alles verkünden kann. Die Veranstalter des New-York-Marathons hatten im vergangenen Jahr weniger Rücksicht auf Haile Gebrselassie genommen. Der äthiopische Superstar war wegen einer Beinverletzung ausgestiegen, wurde von Fragen nach seiner Zukunft und seiner Verletzung bombardiert, verbunden mit dezenten Hinweisen, dass er nun doch auch mal ans Aufhören denken könne. Irgendwann hatte der 37-Jährige die Nase voll, verkündete impulsiv sein Karriereende und löste in der Szene eine mediale Lawine aus. Eine Woche später revidierte Gebrselassie kleinlaut seine Entscheidung.

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