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Sport: Saison ohne Gnade

Dirk Nowitzki scheitert mit den favorisierten Dallas Mavericks überraschend in der ersten Play-off-Runde

Die Farbe seiner Haut glich dem seines blassen, limonengrünen Hemdes, seine großen Hände fuhren im Gesicht herum, als könnten sie es irgendwie verschwinden lassen, seine Stimme war trotz Mikrofonverstärkung kaum zu verstehen. „Es ist zu enttäuschend, um es auch nur in Worte zu fassen“, sagte Dirk Nowitzki, „es ist schwierig, das zu schlucken.“ Und es wird in den nächsten Wochen nicht leichter werden. Es wird vielleicht Jahre brauchen, bis die Dallas Mavericks die Schmach getilgt haben, die ihnen die Golden State Warriors zufügten. Wenn es überhaupt je gelingt. Als erste Mannschaft in die Geschichte der NBA einzugehen, die als erfolgreichste der regulären Saison in einer Best-of-seven-Serie gegen das am niedrigsten gesetzte Team in der ersten Play-off-Runde ausscheidet, ist da noch das geringste Problem.

Schmerzvoller wird die Erinnerung daran sein, wie die Mavericks untergingen: geschockt, überfordert, hilflos. Nowitzki, der bestbezahlte Spieler im teuersten Team der NBA, sah dabei aus wie ein Erstklässler unter Elitestudenten. Im entscheidenden Spiel sechs in Oakland, das die Warriors 111:86 gewannen und damit auch die Serie mit 4:2-Siegen, hatte er am Ende nur acht Punkte erzielt. Keiner seiner sechs Drei-Punkte-Versuche war erfolgreich. Nie gelang es ihm, mit dem Ball zum Korb zu ziehen, seine Verteidigungsbemühungen blieben lachhaft. Als er das zweite Mal traf, war das Spiel längst gelaufen. Der Kontrast zu Golden States’ Aufbauspieler Baron Davis hätte kaum größer sein können. Den hielt selbst eine Mitte der ersten Halbzeit erlittene Oberschenkelzerrung nicht davon ab, sein Team bis zum Ende zu führen.

Dallas galt als erster Anwärter auf den NBA-Titel, nun steht alles infrage. Ein Verkauf der Stars Dirk Nowitzki, Jason Terry oder Josh Howard scheint möglich. Klubbesitzer Mark Cuban wollte davon in der Nacht der Schmach nichts wissen. Ruhig saß er in einem Klappstuhl vor der Kabine seiner Mannschaft in Oakland. Nein, er werde das Team jetzt nicht auseinanderreißen, sagte er, „es wird Dirk eine ganze Weile weh tun, aber er ist immer noch unser Mann. Wir werden jeden einzelnen unserer Spieler unterstützen, Nummer eins bis 15, ebenso wie unseren Trainerstab.“ Gefragt, ob er Zweifel an Nowitzkis Führungsqualitäten habe, fügte er hinzu: „Keineswegs. Nicht ein kleines bisschen. Jeder, der das anders sieht, ist ein Volltrottel.“

Zweifellos wäre es ungerecht, alles auf die breiten Schultern des Deutschen zu laden. Headcoach Avery Johnson muss sich fragen lassen, warum es ihm nicht gelang, seine Mannschaft auf die unorthodoxe Spielweise des Gegners einzustellen. Es war, als habe jemand nach 67 Siegen in der regulären Runde zwischen Anfang April und Anfang Mai die Luft aus dem Team gelassen. Seit der Niederlage in der dritten Partie der letztjährigen Finalserie, die die Mavericks nach einer 2:0-Führung gegen die Miami Heat verspielten, zeigen sie Nerven, wenn es um alles oder nichts geht. Acht der letzten zehn Play-off-Spiele haben sie nun verloren, vier von sechs gegen die Golden State Warriors.

Niemand wusste besser als Warriors-Headcoach Don Nelson, wie man die Mavericks bezwingt. Schließlich war er es, der die Mannschaft aufbaute, ehe er sich mit Cuban zerstritt und 2005 ging. Es gehört zu den vielen Ironien der Serie, dass es Nelson vorbehalten war, das von ihm entdeckte „German Wunderkind“ zu besiegen. Und als müsste Nowitzki nicht schon genug Schimpf und Schade erleiden, steht ihm nächste Woche möglicherweise ein weiterer schmerzvoller Auftritt bevor. Dann vergibt die NBA die Trophäe für den Most Valuable Player der regulären Spielzeit. Die Stimmen dafür sind längst ausgezählt, die Liga wartet mit der Ehrung jedoch traditionell bis zur zweiten Runde, um die Spannung zu erhöhen. Ist die Wahl tatsächlich auf Nowitzki gefallen, wäre das ein letzter sadistischer Dreh einer gnadenlosen Saison.

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