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© dpa

Sami Khedira: Das nächste große Ding

Sami Khedira gehört die Zukunft im deutschen Mittelfeld – "spätestens nach der WM 2010 kommt seine Zeit", sagt Bundestrainer Joachim Löw.

Sami Khedira hat immer schon ein bisschen mehr gesehen als andere. Er war zwölf oder dreizehn, als alle Welt von Zinedine Zidane schwärmte. Seine Übersteiger – oh! Die Hackentricks – ah! Auch Sami Khedira, der Mittelfeldspieler aus der Jugend des VfB Stuttgart, hat damals, Ende der Neunziger, oft vor dem Fernseher gesessen und sein Augenmerk auf Zidane gerichtet. Die Zaubertricks am Ball – schön und gut, aber was Khedira damals wirklich begeistert hat, war „wie einfach er spielt“, seine Effektivität in höchstem Tempo: „Zidanes Spiel wurde für mich durch seine Einfachheit schön“, hat Khedira einmal gesagt. Man benötigt schon einen erstaunlichen Sachverstand, um das bereits als Teenager zu erkennen.

Dass Sami Khedira viele Qualitäten besitzt, wird gerade auch der breiteren Öffentlichkeit bewusst. Es ist eine seltsame Entwicklung, die sich derzeit vollzieht. Der 22 Jahre alte Stuttgarter hat immer noch kein einziges Länderspiel bestritten, trotzdem gilt er als das nächste große Ding im deutschen Fußball.

Defensiver Sechser oder offensiver Zehner?

Rainer Adrion, der neue Trainer der U 21, hat einmal gesagt, wenn ein Trainer sich den perfekten Mittelfeldspieler malen könnte, käme ein Bild von Khedira heraus. „Er ist ein idealer Mischtyp, den man nicht so oft findet“, sagt Adrion. Khedira versöhnt Wucht und Eleganz, er verteidigt und schießt Tore, erobert Bälle und weiß sie zu verarbeiten. Wenn es überhaupt ein Problem gibt, dann dass sein Spiel die traditionellen Kategorien sprengt: Niemand weiß genau, ob Khedira noch ein defensiver Sechser ist oder doch schon offensiver Zehner. Aber was heißt schon Problem? „Er ist ein multipler Spieler, er kann alles interpretieren“, sagt Adrion, der Khedira in der U 23 des VfB Stuttgart trainiert hat.

Khedira selbst sieht sich als defensiven Mittelfeldspieler. Das ist erfreulich, weil es nicht nur seine Perspektive in der Nationalmannschaft verbessert, sondern auch die Perspektive der Nationalmannschaft. Das defensive Mittelfeld ist derzeit deren größte Problemzone. Torsten Frings, der den Stil während der Weltmeisterschaft 2006 vorgeben hat, ist zu müde geworden für seine Rolle als Jäger; Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes sind stärker um Klarheit bemüht, ihnen aber fehlt die fußballerische Endstufe. Khedira hingegen hat alles, um das Spiel auf eine neue Qualität zu heben: Athletik, Kraft, Eleganz und vor allem eine strategische Klarheit, die Frings nie besessen hat. „Er bringt Symmetrie ins Spiel“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. „Spätestens nach der WM 2010 kommt seine Zeit.“ Dann, wenn sich nach Frings wohl auch Michael Ballack aus der Nationalelf zurückzieht.

„Es geht nicht darum, jemanden zu verdrängen“, sagt Khedira. „Ich suche einfach meine Chance.“ Der junge Mann besitzt ein natürliches Selbstbewusstsein. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, hat dieser Tage von seinen Begegnungen mit dem Stuttgarter berichtet. Bei der U-21-Europameisterschaft saßen beide häufiger zusammen. „Es waren ein paar interessante Gespräche.“ Hat Bierhoff gesagt, nicht Khedira.

Khedira besitzt die Fertigkeit, andere zu beeindrucken. Der Stuttgarter war Kapitän jener U 21, die im Sommer innerhalb eines Jahres den dritten Nachwuchstitel für den DFB gewonnen hat. „Er hat die Rolle des Kapitäns verinnerlicht“, sagt Bierhoff. Dabei ist Khedira nach eigener Einschätzung früher jemand gewesen, der eher ungern geredet hat. „Ich wurde ein bisschen hineingezwungen in die Chefrolle“, sagt er. „Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass es in mir liegt, eine Mannschaft an die Hand zu nehmen.“

Vorbildlicher Siegeswille

Die Erfahrung hat auch Rainer Adrion gemacht, der Khedira beim VfB bereits aus dem jüngeren A-Jugend-Jahrgang zur U 23 hochgezogen hat. „Gerade, wenn ein Spiel zu kippen drohte, hat er vorbildlichen Siegeswillen an den Tag gelegt“, sagt Adrion. „Er ist vorangegangen und hat die Mitspieler mitgezogen.“ Khedira war mit der B- und der A-Jugend Deutscher Meister, Europameister mit der U 21, und in seiner ersten Bundesligasaison hat er mit dem VfB den Titel geholt. Da, wo Khedira ist, ist der Erfolg. „Hört sich gut an“, sagt er. „Aber das kommt nicht von ungefähr. Das ist harte Arbeit.“

Khediras Vater ist vor 25 Jahren aus Tunesien nach Deutschland gekommen. Er hatte keinen Schulabschluss, keine Berufsausbildung, aber er wollte es schaffen in der Fremde. „Er hat sich in seinem Betrieb etabliert und ist da eine angesehene Arbeitskraft“, sagt Sami Khedira. Diese Haltung steckt tief in ihm und seiner Familie drin. Sein jüngster Bruder Rane spielt in der B-Jugend des VfB, auch er ist talentiert, und natürlich profitiert er gelegentlich vom Ausrüstervertrag seines älteren Bruders: Da fällt dann schon mal ein neues Paar Fußballschuhe ab. „Aber ich geh nicht mit ihm in einen Modeladen und kauf ihm eine Hose für 400 Euro“, sagt Sami Khedira. „Ich will ihn nicht verwöhnen. Ich will, dass er hungrig bleibt.“

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