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Sami Khedira, 23.

© dpa

Sami Khedira: "Ich will nicht nur der Gute-Laune-Peter sein"

Sami Khedira spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über die Verletzung von Michael Ballack, seine Rolle in der Nationalmannschaft und seine Zukunft beim VfB Stuttgart.

Herr Khedira, was hat denn die Nachricht vom WM-Aus Michael Ballacks bei Ihnen ausgelöst?

Das Gleiche wie bei jedem anderen, den es so übel erwischt: Ich war schockiert, dass es wirklich so schlimm ist. Ich lag gerade auf der Massagebank bei Klaus Eder, als mich die Nachricht erreichte. So etwas ist immer bitter, noch dazu bei so einem wichtigen Spieler wie dem Kapitän. Die Stimmung war schon gedrückt, als ich mir Gedanken gemacht habe, wie es jetzt weiter geht.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir haben diese Nachricht zu verarbeiten. Bei der WM werden wir dann 23 Spieler sein, die den Ausfall kompensieren müssen. Ich denke, das werden wir dann auch schaffen.

Hat Joachim Löw Ihnen schon mitgeteilt, dass Sie an der Seite von Bastian Schweinsteiger Ballacks Rolle übernehmen?

Nein, hat er nicht.

Wie sehr würde es Sie überraschen, wenn die Wahl des Bundestrainers auf Sie hinausliefe?

Was heißt Überraschung? Ich habe immer wieder betont, dass ich bei diesem Turnier nicht nur den Gute-Laune-Peter spielen, sondern meine Leistung auf dem Platz bringen möchte. Und das ist jetzt eventuell der Fall. Wir haben jetzt noch zwei Testspiele und genügend Trainingseinheiten, in denen ich versuche, mich anzubieten und dadurch eine noch wichtigere Rolle einzunehmen. Ich will dem Bundestrainer zeigen, dass ich bereit bin, die Position zu spielen.

Dann hat sich Ihre Position schon verändert?

Der Ausfall von Michael Ballack stellt erst einmal eine Schwächung für das Team dar. Aber natürlich haben wir ganz gute Alternativen für jede Position. Ich versuche im Training meine Arbeit abzuliefern, mich aufzudrängen. Und wenn ich die Chance erhalten sollte, dort zu spielen, dann möchte ich das Vertrauen des Trainers rechtfertigen. Das ist doch klar.

Vor einem Jahr haben Sie schon gesagt, es sei Ihr Ziel, nicht nur einfach dabei zu sein bei der WM, sondern auch zu spielen. Inwiefern sind Sie Ihrem Ziel näher gekommen?

Das weiß ich nicht. Die Sache ist für Michael und für das Team bitter, ich möchte nicht dastehen als der, der davon profitiert hat. Klar ist es mein Ziel, bei der WM auf dieser Position zu spielen.

Bis vor kurzem waren Sie noch Ergänzungsspieler, plötzlich stehen Sie im Brennpunkt. Wie gehen Sie damit um?

Mir war immer bewusst, dass Michael Ballack und Bastian Schweinsteiger gesetzt sein werden, weil sie auch wirklich gut sind. Aber ich habe mich nie verrückt machen lassen. Ich werde mir auch jetzt nicht den Kopf zerbrechen, ob ich spiele und welche Aufgabe auf mich zukommt. Ich bleibe konzentriert. Ich will den Beweis antreten, dass ich da bin, wenn ich gebraucht werde. Momentan spüre ich eine gewisse Vorfreude, aber keine große Nervosität. Denn das, was eintreten könnte, wollte ich doch immer. Darauf habe ich zwei Jahre hingearbeitet.

Wer ist schwerer zu ersetzen: der Fußballer Ballack oder die Führungsperson samt der Erfahrung aus fast 100 Länderspielen?

Beides ist schwierig, darin besteht ja die riesige Herausforderung. Es gab keinen Spieler, der die Mannschaft in den vergangenen Jahren so geprägt hat. Gerade bei den Turnieren zählte Michael Ballack zu den entscheidenden Figuren. Das hängt mit seiner Persönlichkeit und seiner Erfahrung zusammen. Das alles wird uns sehr fehlen.

Beim VfB Stuttgart spielen Sie bereits die dominante Rolle im zentralen Mittelfeld. Lässt sich das nicht einfach auf das Nationalteam übertragen?

Wenn man auf dem Platz geht, versucht jeder, seine bestmögliche Leistung zu bringen. Egal wo. Aber natürlich ist die Qualität in der Nationalmannschaft noch einmal höher als die im Verein. Der Bundestrainer und sein Team geben hier jede Hilfestellung, sodass die Umgewöhnung schneller vonstatten läuft. Ich glaube, dass es mir bislang ganz gut gelingt.

Alles deutet auf ein Duo mit Ihnen und Bastian Schweinsteiger hin. Sie haben noch nie miteinander gespielt. Reichen zwei Testspiele und zwei Wochen Trainingslager aus?

Gut, wir wissen alle, dass das nicht besonders viel ist, aber entscheidend ist doch, dass jeder Einzelne ein gutes taktisches Verständnis mitbringt. Und das wäre bei uns der Fall. Bastian hat ja die ganz Saison gezeigt, wie hervorragend er auf dieser Position spielen kann. Und ich spiele diese Position jetzt auch schon zwei Jahre beim VfB. Deswegen denke ich, dass es klappen würde, wenn es denn auf diese Konstellation hinausliefe.

Wann sollte dies auch offiziell feststehen?

Der Trainer muss und wird schon den richtigen Zeitpunkt finden. Sein Gespür aus dem Training ist entscheidend. Die Münchner Spieler kommen ja erst in den nächsten Tagen zu uns. Das wird man dann im Training mal ausprobieren können und sehen, wie es funktioniert und wie die Abstimmung klappt. Aber intern wird der Trainer schon seine Favoriten haben.

Hat Michael Ballack schon mit Ihnen gesprochen?

Nein.

Werden Sie das Gespräch suchen, oder überlassen Sie es ihm?

Wir saßen beim Essen schon mal am selben Tisch. Ein Gespräch wird sich schon noch ergeben.

Was prädestiniert Sie denn für die Rolle des Ballack-Ersatzes?

Soll ich darauf wirklich antworten? Also gut: Ich habe immer wieder Spaß, den Ball zu erobern, aber auch Tore zu erzielen. Ich glaube, dass ich mich voll reinhängen kann und mich da zur Verfügung stelle, wo das Team mich am ehesten braucht, in der Offensive oder in der Defensive.

Fühlen Sie sich in Ihrer Spielweise Michael Ballack verwandt?

Ich vergleiche mich ungern mit anderen Spielern. Gerade wenn man bedenkt, was Ballack erreicht, was er für den deutschen Fußball getan hat. Da wäre es unverfroren, mich mit ihm zu vergleichen. Ich habe meine eigene Spielweise, aber natürlich schaue ich mir die Stärken von Weltklassespielern an, und dazu gehört Ballack.

An wem orientieren Sie sich noch?

Momentan interpretiert Xavi vom FC Barcelona die Sechserposition für mich am besten. Er spielt relativ unspektakulär, verfügt aber über eine enorme Ballsicherheit. Wir haben ja zweimal in der Champions League gegen ihn gespielt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er mal einen Ball verloren oder einen Fehlpass gespielt hat. Er lenkt das Spiel und ist trotzdem torgefährlich. Es ist für mich jedes Mal beeindruckend, wie viele Ballkontakte er hat.

Sie interpretieren die Rolle im zentralen Mittelfeld eher offensiv. Wer müsste sich denn nach wem richten: Sie nach Schweinsteiger oder umgekehrt?

Wenn man ein gutes Gefühl hat und ein eingespieltes Team ist, achtet doch der eine auf den anderen. Das macht ein gutes Duo aus. Da geht jeder mal in die Spitze. Und so wie ich den Basti jetzt bei den Bayern gesehen habe, ist er torgefährlich geblieben. Er kann aber auch sehr strategisch spielen. Bei mir ist es ganz ähnlich. Am Ende liegt es immer am Willen, sich in ein System einzufügen. Wenn der da ist, ist es egal, wer neben einem spielt.

Sie haben vor kurzem gesagt, dass Sie die nächste Saison definitiv beim VfB spielen werden. Kann sich das durch die WM und Ihre neuen Rolle noch ändern?

Es ist immer alles möglich, aber wenn ich eine solche Aussage tätige, noch dazu in der Öffentlichkeit, dann steh’ ich auch dazu.

Und das alles hat Ihnen auch noch Felix Magath eingebrockt.

Wie meinen Sie das?

Der soll den ersten Vertrag mit Ihnen ausgehandelt haben, als Sie noch 15 waren, zusammen mit Ihren Eltern?

Stimmt nicht ganz. Vollendet haben wir den Vertrag, als Felix Magath schon nicht mehr Trainer beim VfB war. Aber verhandelt haben wir zunächst mit ihm. Das Gespräch hat ungefähr eine Stunde gedauert. Seine Ansicht vom Fußball hat mir damals sehr imponiert.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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