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Sport: Sauerkraut für den Schützenkönig

Ganz Nürnberg sorgt sich um Stürmer Marek Mintal

Der Oberbürgermeister drückte öffentlich sein Mitgefühl aus. „Lassen Sie sich von dieser Pechsträhne nicht unterkriegen“, schrieb Ulrich Maly und wünschte „baldige Genesung“. Irgendwie hat man den Eindruck, in Nürnberg sorgt sich eine ganze Stadt um ihren populärsten Fußballspieler – eine Boulevardzeitung rief ihre Leser dazu auf, Mitgefühl mittels persönlicher Gaben zu demonstrieren. Alle und alles für Marek Mintal. Kartengrüße, Plüschtiere, sogar Sauerkrautsuppe sollen geschickt worden sein, um den verletzten Torjäger aufzumuntern.

Nun hat der Club den Nürnbergern schon immer allerhand Turbulenzen auf dem Barometer der Gefühle beschert, diesmal allerdings traf es die Anhänger besonders hart. Denn ein couragierter, flott aufspielender 1. FC Nürnberg besiegte zum Rückrundenstart den Hamburger SV überraschend mit 2:1 – und verlor dabei seinen gerade erst genesenen Torschützenkönig. Nach nicht einmal drei Minuten schied Marek Mintal wieder aus; zum zweiten Mal innerhalb von vier Monaten brach sein linker Mittelfuß. Seitdem beschäftigt der fränkische Patient die Gemüter des Anhangs mehr als das sportliche Schicksal des Altmeisters, der heute in Hannover antritt.

So sehr wuchs die Anteilnahme, dass Hans Meyer schon um Mäßigung bitten musste. „Es kann ihn nicht jeder besuchen, sonst ist irgendwann kein Platz mehr im Wohnzimmer“, sagte der Trainer nach seinem ersten Krankenbesuch bei Mintals. „Marek lebt ja auch eher ärmlich da draußen.“ Da draußen heißt auf dem Land in Röthenbach vor den Toren Nürnbergs. Mintal lebt dort tatsächlich ziemlich bescheiden für einen Fußballprofi: drei Zimmer, 600 Euro Miete, der Fernseher vom Discounter. Dass sich der Fokus nun wieder auf diesen privaten Mintal richtet, der im Supermarkt einkauft, ist dem Slowaken unangenehm. Er steht nicht gern im Mittelpunkt, erst recht nicht als Rekonvaleszent. Es ist dieses bescheidene Naturell des Teamspielers, das Marek Mintal so wertvoll macht. Auch außerhalb des Platzes, wie Meyer herausstreicht. „Er hat einen fantastischen Charakter“, sagt der Trainer, der wie der Anhang so schöne Hoffnungen ins Comeback des Bundesliga-Torschützenkönigs der abgelaufenen Saison gesetzt hatte. Seinen „wichtigsten Neuzugang“ hatte Meyer den stillen Star genannt – und Mintals Bereitschaft gelobt, hinter den Spitzen die entscheidende Rolle in einem offensiver ausgerichteten System zu übernehmen.

Wahrscheinlich bis zum Saisonende muss Meyer nun ohne Mintal auskommen. Und Mintal ohne Fußball. Das schmerzt ihn mehr als der vor einigen Tagen operierte Fuß. „Ich hätte dem Verein so gerne geholfen“, sagt Mintal. Er sagt nicht, dass er gern gezeigt hätte, welch zuverlässige Größe er als Torjäger ist, wie wenig die 24 Treffer der Vorsaison eine Verkettung glücklicher Fügungen waren. Denn Mintal hat es auch wehgetan, dass er trotz der höchst erfolgreichen Saison 2004/05 im Sommer vergebens auf das erhoffte Angebot eines europäischen Spitzenklubs wartete. Wie sehr es schon den jugendlichen Mintal ärgerte, unterschätzt zu werden, hat sein Vater, der selbst Fußballprofi war, einmal erzählt. Sein freundliches, stilles Wesen gereichte dem Junior nicht nur zum Vorteil: Im Nationalteam stand er lange in der zweiten Reihe, in Nürnberg war sein Landsmann Robert Vittek zunächst viel populärer als Mintal, der vom Provinzklub MSK Zilina für 150 000 Euro nach Nürnberg kam. Der rasante Spätstarter ist jetzt 28 Jahre alt, viele Chancen zum ganz großen Karrieresprung werden da nicht mehr kommen.

Die Verkettung unglücklicher Fügungen hat ihn gebremst, eine spezielle Anfälligkeit liegt offenbar ebenso wenig vor wie ein Behandlungsfehler nach dem ersten Bruch. Marek Mintal hat einfach unglaublich viel Pech gehabt, eine Wendung, die auf bittere Weise zu einem Verein passt, der schon mal als Deutscher Meister abgestiegen ist. Immerhin: „Es geht Marek besser“, sagt Trainer Meyer, „er wird mit neuem Mut am nächsten Comeback arbeiten.“ Der Oberbürgermeister wird es gern gehört haben.

Hans Böller[Nürnberg]

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