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Sport: Saufen und siegen

Wie Düsseldorfs Handballer in die Bundesliga aufstiegen

Ratingen. Richard Ratka redet und redet und schwärmt. Dabei entleert sich merklich das Glas Alt, das der 1,93 Meter große Westfale in der Hand hält. Nicht, weil der 71-malige Handball-Nationalspieler es austrinken würde – es sind seine wilden, schwingenden Gesten, die das Bier langsam verschütten. Ratka spricht über die HSG Düsseldorf, die eben nach einem souveränen 38:26-Sieg gegen EHV Aue in die Bundesliga aufgestiegen ist, das dritte Mal nach 1984 und 1991. Und nun ist ihr Trainer kaum noch zu bremsen in seiner Laudatio. Eine „großartige Mannschaft“ sei das, begeistert sich der 40-Jährige, „alles Leute mit Charakter“, eben „lauter super Typen“. Dass sein T-Shirt mit dem Aufdruck „Zurück in der Königsklasse“ ziemlich streng nach Bier riecht, weil der Präsident nach dem Abpfiff einen Vier-Liter-Krug über ihn ausgeschüttet hat, interessiert Ratka herzlich wenig. Jetzt wird gefeiert. Zwei Stunden später sind 600 Liter Altbier vernichtet, und Taxifahrer werden geordert, um Nachschub zu organisieren.

„Sieben Freunde sollt ihr sein“ – so könnte in Abwandlung des 1954er-Leitspruchs das Motto der HSG Düsseldorf heißen. Vor einem Jahr ist dieses Team Zweiter geworden und scheiterte in der Relegation nur knapp am Aufstieg. Oft fallen Mannschaften nach derben Misserfolgen auseinander, die leistungsstärksten Spieler fliehen. Nicht so dieses Team, das zu einem Großteil aus Studenten besteht. Michael Hegemann, der Kopf der Mannschaft, will Grundschullehrer werden, Sven Hertzberg studiert Wirtschaftsmathematik. Jens Sieberger, der den in der Kabine stehenden Ghetto-Blaster stets mit neuer Musik versorgt, ist angehender Sportwissenschaftler, Jörg Schürmann studiert BWL. Kapitän Nils Lehmann ist Architekt. „Wenn jemand Klausuren hat, kriegt er schon mal zwei oder drei Tage frei“, sagt Ratka. Ihm ist es wichtig, dass sich die ganze Mannschaft wohl fühlt. Deswegen, sagt er, „akzeptiere ich auch mal eine Sauftour“. Sauer ist er nur dann, „wenn dann einer nicht dabei ist“. Ratka grinst. Wenn, dann sollen sie auch den Kater gemeinsam ertragen.

Im Umfeld ist der Solidarisierungsfaktor ebenfalls bemerkenswert hoch. „Ich freue mich, dass wir wieder in der Ersten Liga sind“, sagt Horst Bredemeier, der als Trainer 1989 mit der HSG (und dem Spieler Ratka) Europapokalsieger wurde – er sagt „wir“, obwohl der frühere Bundestrainer heute für GWD Minden arbeitet. Manager Frank Flatten bastelt seit Monaten ehrenamtlich am Saisonetat für die Erste Liga, der gut eine Million Euro beträgt. Damit befindet sich der Klub im unteren Bereich, auf Augenhöhe mit Stralsund oder Pfullingen. Ein Grund für die mageren Mittel ist, dass die Stadt Düsseldorf keine vernünftige Halle zur Verfügung stellt.

Deswegen spielt der Klub zurzeit im benachbarten Ratingen, in einer nur 1200 Zuschauer fassenden und bundesliga-unwürdigen Halle. In der nächsten Saison sollen die Partien gegen die großen Namen Gummersbach, Kiel, Essen und Magdeburg in der größeren Philips-Halle in Düsseldorf ausgetragen werden. Und ab 2005, verspricht Sportdezernent Wilfried Kruse, ist ein moderner Neubau mit rund 4000 Plätzen „hoffentlich fertig“. Kabarettist Dieter Nuhr, selber früher Handballer bei der HSG, sagt dazu grinsend: „Da haben sich die Düsseldorfer wohl ein wenig vertan.“ Eine Anspielung darauf, dass die große Fußballarena bald fertig gestellt ist, in der er es dann Regionalliga-Fußball zu sehen gibt, mit der dahindümpelnden Fortuna.

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