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Eine Hand in der Hosentasche. Mit der anderen gibt Trainer Christian Streich beim SC Freiburg die Richtung vor.

© Eibner Pressefoto

SC-Trainer Christian Streich: Freiburgs neues Gesicht

Der unkonventionelle Christian Streich war anfangs nur zweite Wahl und führte den SC anschließend doch aus der Identitätskrise – am Mittwoch trifft sein Überraschungsteam auf den FC Bayern.

Wie der Freiburger so ist, glaubt die ganze Welt zu wissen. Er ist grün, fährt Rad, kauft Bio und schaut Fernsehen nur mit Ökostrom. Klischees sind im Gesamtbild des Breisgauers so viele enthalten wie Wahrheiten. Bei Christian Streich ist dies nicht anders. Der 47-Jährige wurde zwar nicht in Freiburg geboren, sondern kurz vor dem Grenzbalken zur Schweiz, doch seit er der Trainer des hiesigen Bundesligisten ist, gilt Streich als das Gesicht der Stadt. Tatsächlich kommt vor dem Duell gegen Bayern München am Mittwoch aber zu kurz, dass bei der momentanen Überraschungsmannschaft der Bundesliga einst mit Manager Dirk Dufner und Präsident Fritz Keller andere die Grundlagen schufen, mit dem Angestellten Streich nur im Hintergrund.

Doch der Hype um den Mann, der einer Metzger-Familie entstammt und lieber Fußballlehrer wurde, entstand aus gutem Grund. Nach 17 Jahren SC Freiburg steht Streich für alles, was dieser Klub versucht zu leben. Mit ihm, so das Gefühl, kann Freiburg wieder Freiburg sein. Lange schien der Sportclub auf der Suche nach seiner Identität nachdem Trainer Volker Finke 2007 nach 16 Jahren gehen musste. Finke, der Übervater, der aus Freiburg eine Marke machte, der dominant seine Linie durchzog und am Ende doch eine Identitätskrise hinterließ. Freiburg suchte sich fünf Jahre lang selbst. Bis Streich kam und die Sehnsüchte erfüllte, anders sein zu dürfen, aus der Ferne betrachtet etwas schräg und vor allem authentisch.

Streichs Vorgänger konnten das aus verschiedenen Gründen nicht bieten. Robin Dutts Kraft floss zum Teil in die Aufarbeitung der Trennung um Finke. Der unnahbare Marcus Sorg, der ihm folgte und den SC-Funktionären zunächst geeigneter erschien als Streich, scheiterte nach wenigen Monaten. Dann kam das Wagnis Streich, der viele Jahre als herausragender Ausbilder mit Schnüffelnase galt, und trotzdem der war, der kaum in die glamouröse Fußballwelt zu passen schien. Nun ist Streich mittendrin und zeigt, „man muss nicht alles abnicken, was dort geschieht“, wie er dem „Spiegel“ verriet. Er spricht zwar von der Leistung des gesamten Klubs, was aber kaum Widerhall findet, weil sich alle an dem exotischen Fußballtrainer reiben. Das Gesicht des SC sei er gerne, „solange jeder versteht, dass ich nur ein Teil des Ganzen bin“.

Streich ist alles, nur nicht everybody’s darling. Seine Philosophie von Arbeit im Fußball hört sich ein Stück weit an wie ein Märchen. Was er seinen Spielern predigt, gilt jedoch für alle im Verein. „Die Gemeinschaft steht über dem Einzelnen. Die Gemeinschaft stärkt den Einzelnen und nicht umgekehrt“, sagt er. Wer seiner Linie nicht folgt, hat es schwer in Freiburg. Die Spieler dürften sich die Haare färben, nachts zum „Knutschen mit der Freundin“ ausbrechen, Tattoos und Piercings tragen, „solange das nicht gegen die Gruppe geht“. Die Macht, Cheftrainer zu sein, interpretiert Streich anders, er lässt Vertrauen in die Arbeit seines Stabes zu.

Junge Talente aus der Fußballschule nahm Streich damals mit in die Bundesliga. Und sie seien der Schlüssel zum derzeitigen mutigen Offensivfußball, sagt Streich: „Die jungen Spieler waren sofort vollwertige Mitglieder des Teams. Wäre das nicht gelungen, wäre ich als Trainer gescheitert.“ Vor knapp einem Jahr stand der SC kurz vor dem Abstieg. Bis Streich die Schleusen öffnete und das vorhandene Frischwasser-Reservoir ins Freiburger Becken einspeiste. Streich steht für die Leidenschaft, die Überlebensstrategie eines Klubs ist, der mit gutem Ausbildungsumfeld gegen finanzstärkere Klubs kämpft und sich regelmäßig erneuern muss. „Für die Menschen hier gehen nicht die Lichter aus, wenn wir nicht in der Ersten Liga spielen“, sagt Streich, um sofort zu ergänzen, wie groß seine Freude daran ist, zu sehen, „wie die Mannschaft kämpft, damit wir weiter Bundesliga spielen“.

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