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Schach: Doping aus dem Internet

Wenn die Technik zur Gefahr wird: Um Manipulationen per Computer zu verhindern, wird das Dortmunder Schachturnier nicht live gesendet.

Als Wladimir Kramnik und Viswanathan Anand gemeinsam von der Bühne schlenderten, stellte der Schiedsrichter die schwarzen und weißen Holzfiguren wieder in ihre Ausgangspositionen zurück und entfernte en passant ein zerknülltes Papiertaschentuch vom Tisch. Dass der verschnupfte Schachweltmeister Kramnik überhaupt mitspielen könnte beim hochklassig besetzten Chess-Meeting im Dortmunder Schauspielhaus, war bis einen Tag vor Turnierbeginn fraglich gewesen. Anfang vergangener Woche habe er noch mit 40 Grad Fieber im Bett gelegen, sagte Kramnik, aber dank Antibiotika hätte er am Freitag doch nach Dortmund reisen können. Zum Turnierauftakt blieb die von seinem gelegentlichen Husten und Schnäuzen begleitete Partie der beiden Favoriten blass: Der Russe wählte mit Weiß ein grundsolides System und Anand, der Weltranglistenerste aus Indien, konnte sich mit ein paar genauen Manövern vom leichten Druck befreien. Nach 35 Zügen einigten sie sich auf ein Remis.

Die übrige Schachwelt erfuhr von diesem Ergebnis erst eine Viertelstunde später. Dortmunds Turnierveranstalter sind nämlich weltweit die Ersten, die Partien zeitverzögert im Internet übertragen, um eine heimliche Hilfe von außen zu erschweren. Turnierdirektor Stefan Koth legt aber Wert auf die Feststellung, dass keiner der acht Großmeister, die zurzeit im Schauspielhaus nachdenken, im Verdacht stehe zu manipulieren. Im Gegenteil, von den Spielern seien ausdrücklich Maßnahmen gewünscht worden, um einem möglichen Betrug mit Computerhilfe vorzubeugen. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagte Koth. „Es wäre schön, wenn die anderen Topturniere so etwas auch als Standard einführen.“

Seitdem Schachprogramme den weltbesten Spielern zumindest in taktisch geprägten Stellungen überlegen sind, ist die Gefahr von Manipulationen gestiegen. Hobbyspieler mit handelsüblicher Schachsoftware können heutzutage eine im Internet übertragene Partie oftmals besser beurteilen als die Großmeister am Brett. Ein Schachprogramm findet meistens schon nach weniger als einer Minute die stärksten Züge. Vor diesem Hintergrund könnten sich Menschen mit krimineller Energie dank moderner Kommunikationstechnik mühelos Computertipps übermitteln lassen, von einem irgendwo auf der Welt sitzenden Partner. Eine zeitverzögerte Übertragung ist nicht das einzige Mittel, aber ein durchaus wirksames. Nun ließen sich allenfalls noch zwei, drei Züge pro Partie übermitteln, aber nicht mehr ganze Zugserien. Denn ein Spieler vermag nicht jedes Mal eine Viertelstunde zu warten, weil er für 40 Züge nur zwei Stunden Bedenkzeit hat.

Um das Restrisiko zu minimieren, könnten die Spieler, wie schon hin und wieder geschehen, mit Detektoren nach Empfängern abgesucht werden. „Wir sorgen dafür, dass keine Teammitglieder in der ersten Reihe sitzen“, sagte Turnierdirektor Koth. Damit soll eine heimliche Zeichensprache zwischen einem Spieler und seinem Helfer unterbunden werden. Wesselin Topalow, zurzeit Zweiter der Weltrangliste, war wiederholt in Verdacht geraten, Zeichen von seinem Manager und Sekundanten bekommen zu haben. Der jeglichen Manipulationsverdacht zurückweisende Bulgare ist nicht nach Dortmund eingeladen worden. Wie Kramnik hatte sich auch Anand schon vor ein paar Wochen für Maßnahmen ausgesprochen. In einer öffentlichen Erklärung forderte Anand, Sekundanten das Betreten der Bühne und des Spielerbereichs vor den Partien zu untersagen. „Es sollte ihnen auch nicht erlaubt sein, die Spielhalle während einer Partie zu betreten, zu verlassen und wieder zu betreten.“ Laut Anand seien in einer Zeit, in der schon ein Handy „mehr als genug zum Betrügen ist“, solche Schritte notwendig. Auch Peter Leko, der am Samstag gegen den Norweger Magnus Carlsen remis spielte, begrüßt die Neuerungen in Dortmund. „Es ist richtig, dass man solche Vorsichtsmaßnahmen ergreift“, sagte Leko. „Dann spielt man einfach Schach und der Bessere gewinnt.“

Unterdessen führen nach zwei Runden der 35. internationalen Schach-Tage in Dortmund die Russen Wladimir Kramnik und Jewgeni Alexejew mit je 1,5 Punkten die Tabelle an. Kramnik besiegte am Sonntag Boris Gelfand (Israel), Alexejew gab Shakryar Mamedjarow aus Aserbaidschan das Nachsehen. Die anderen beiden Partien des Tages endeten mit einem Remis.

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