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Schach: Ein 19 Jahre alter Junge setzt die Dame

Magnus Carlsen führt die Schach-Weltrangliste an.

Berlin - Obwohl Magnus Carlsen gerade erst 19 Jahre alt geworden ist, steht sein Name schon ganz oben auf der Schach- Weltrangliste. Die Momentaufnahme vom 1. Januar spiegelt ein schachhistorisches Phänomen, denn so jung wie das einstige Wunderkind aus Norwegen ist noch nie jemand Nummer 1 geworden. Und Carlsen, der den Gipfel dank konstant überragender Turnierleistungen erreichte, hat offenbar vor, länger oben zu bleiben. „Ich fühle, dass ich das Potenzial habe, für einige Jahre Nummer 1 zu sein.“

Sätze wie diese klingen aus Carlsens Mund keineswegs überheblich, es handelt sich eher um eine bescheidene, völlig gerechtfertigte Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Er entspricht gewiss nicht dem Klischee eines verschrobenen, größenwahnsinnigen Schachgenies à la Bobby Fischer, der Weltmeister von 1972 bis 1975 war. Im Gegenteil, aufgewachsen mit drei Schwestern in einer behütenden Familie im kleinen Lommedalen bei Oslo, fühlt Carlsen sich selbst wie „ein ganz normaler Mensch“, vielleicht mit dem Unterschied, dass er recht gut Schach spielen könne.

Gewöhnlich kommt er auch wie ein ganz normaler Mensch in den Spielsaal: mit einer Plastiktüte, in der neben einem Tetrapak Orangensaft manchmal auch eine Tüte Rosinen steckt. Was er dann am Brett leistet, ist dagegen höchst ungewöhnlich. Garry Kasparow, Weltmeister von 1985 bis 2000, trainiert Carlsen von Zeit zu Zeit und vergleicht den Stil des Norwegers mit feinsinnigen Strategen wie José Raoul Capablanca (Weltmeister 1921 bis 1927) und mit Anatoli Karpow (Weltmeister 1975 bis 1985).

Allerdings hat Schach sich in den vergangenen 20 Jahren enorm verändert. In den Laptops der Großmeister nisten Datenbanken mit mehr als fünf Millionen Partien. Und jede Woche kommen ein paar hundert hinzu, die von den Profis im Hinblick auf neue Trends in der Eröffnungstheorie analysiert werden. „Heute kann ein 15-Jähriger mehr über das Schach wissen als Bobby Fischer in seinem ganzen Leben“, sagt Kasparow.

Da ist es natürlich von Vorteil, wenn man wie Carlsen über ein fotografisches Gedächtnis verfügt. Schon als Fünfjähriger hatte er alle Länder der Welt mit Hauptstädten, Bevölkerungszahlen und Flaggen auswendig gelernt. Im gleichen Alter brachte ihm sein Vater die Schachregeln bei. Doch erst mit acht begann Magnus, sich für das Spiel zu interessieren. Mit dreizehn war er Großmeister.

Auch bei den Kollegen ist Carlsen beliebt. „Magnus ist ein feiner Kerl, wir sind Freunde“, sagt Weltmeister Viswanathan Anand. Sie sind Teamkollegen beim Deutschen Meister OSG Baden-Baden. Im April muss Anand seinen WM-Titel gegen Wesselin Topalow verteidigen. Carlsen bekommt frühestens im Jahr 2011 die Chance auf einen WM-Kampf.

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